Bericht 55, Juli 2009

Lille – Dünkirchen – Nieuwpoort – Brügge

(la Deûle, la Lys, Liaison Grand Gabarit Escaut Dunkerque, Canal de Bergues, Canal de Furnes, Lo Canal, Yser, Canal Plassendale-Oostende; 244 km, 15 Schleusen)

Fahrtroute Lille-Brügge

Fahrtroute Lille-Brügge

Lille ist die Hauptstadt des französischen Teils von Flandern und zählt rund 220’000 Einwohner, also etwa halb so viel wie Zürich. 2004 war Lille europäische Kulturhauptstadt und hat diese Gelegenheit benützt, sich kulturell in Szene zu setzen. Eindrucksvoll ist die Altstadt mit ihren sehr schön renovierten farbigen Backsteinhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Buchmarkt im Innenhof der alten Börse von Lille

Buchmarkt im Innenhof der alten Börse von Lille

Bei allen architektonischen Kostbarkeiten ist Lille eine moderne und eine junge Stadt. Modern, weil sie über eine vollständig automatische Untergrundbahn verfügt und alle öffentlichen Busse mit Kompogas fahren; jung, weil Lille eine Universitätsstadt ist und etwa ein Drittel der Bevölkerung unter dreissig Jahre alt ist. Als Zürcher fühlt man sich allerdings irgendwie unwohl in Lille, denn es hat weder Strassen-Baustellen noch versprayte Häuser…

Die Zitadelle von Lille ist nicht nur vollständig erhalten, sie ist auch heute noch die Stammkaserne des 42. Infanterieregimentes. Zufälligerweise werden wir Zeugen der Kommandoübergabe und damit eines ausschweifend inszenierten militärischen Zeremoniells.

Kommandoübergabe des 42. Infanterieregiments

Kommandoübergabe des 42. Infanterieregiments

Nordfrankreich ist auch kulinarisch verschieden von dem Frankreich, das wir in den letzten drei Jahren kennen gelernt haben. Hier wird nicht Wein getrunken, sondern Bier, was sich schon an den imposanten Brauereien zeigt.

Brauerei bei Lille

Brauerei bei Lille

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Nach vier Tagen laufen wir aus Lille aus und biegen in die kanalisierte Lys ein, welche bei Aire-sur-Lys wieder in die Liaison Grand Gabarit Escaut-Dunkerque einmündet. Lys heisst Lilie, aber das Gewässer hat diesen Namen nur teilweise zu Recht, weshalb wir uns hier nicht lange aufhalten, sondern Dünkirchen zustreben.

Unterwegs passieren wir die imposante Schleuse von les Fontinettes mit einem Hub von über 13 Metern. Früher wurde dieser Höhenunterschied mit einem genial konstruierten Schiffslift überwunden, der von 1888 bis 1967 in Betrieb war. Er bestand aus zwei grossen Caissons, in welchen je ein Frachtschiff mit dem Freycinet-Standardmass von 38.5 x 5.05 Metern Platz fand. Weil beide Caissons immer gleich schwer waren – entweder war ein Frachtschiff darin oder nur Wasser – brauchte es relativ wenig Energie, um ein Schiff zu heben resp. zu senken.

Der alte Schiffslift von les Fontinettes

Der alte Schiffslift von les Fontinettes

Als der Schiffslift ausser Betrieb genommen wurde, verschrottete man ihn nicht, sondern liess ihn als technisches Denkmal stehen, mit je einem alten Frachtschiff in den Caissons. Leider lässt man dieses über hundertjährige technische Wunderwerk seit einiger Zeit lieblos verrosten.

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Wir sind also auf der Fahrt nach Dünkirchen, wollen aber nicht in Dünkirchen selbst anlegen, dessen Liegeplätze in unseren Unterlagen als «grotty» beschrieben werden, was man mit «mies» übersetzen könnte. Wir haben diese Qualifikation später im Vorbeifahren bestätigt gefunden. Nein, wir haben einen viel besseren Liegeplatz in Aussicht!

Wir haben nämlich auf dem Canal du Nord einen Berufsschiffer kennen gelernt, der – nachdem wir schon vorher miteinander geplaudert hatten – in einer Schleuse zu uns kam und sagte: «Comme vous avez l’air sympa, je vous offre mon amarrage!» Er habe am Anfang des stillgelegten Canal de la moyenne Colme kurz vor Dünkirchen vor seinem Haus einen Anlegeplatz für sein Frachtschiff und zwar mit Strom und Wasser. Wenn wir dort vorbeikämen, seien wir herzlich eingeladen. Er empfehle uns, von der Liaison Grand Gabarit aus rückwärts in den Kanal hineinzufahren, sein Liegeplatz sei nur 200 Meter vom Kanalanfang entfernt.

Natürlich machen wir von diesem grosszügigen Angebot Gebrauch! Bei der Einmündung des Canal de la moyenne Colme angekommen, setzen wir zu einer 180°-Wende an, um rückwärts unter der dortigen Brücke in diesen Kanal hineinzufahren. Zu diesem Zeitpunkt ist aber der Wind – wir sind in Flandern, alles ist flach – so stark, dass wir keine Chance haben, zu wenden. Der Wind droht das quer stehende Schiff gegen das Kanalufer zu treiben. Also neuer Entschluss: Vorwärts hinein. Die Brückendurchfahrt ist relativ schmal, links und rechts an den Pfeilern hat es einen sogenannten Prallschutz aus Holz. Korrekt gesagt, am rechten Pfeiler hatte es einen Prallschutz. Jetzt nicht mehr. Auf Wunsch des Kapitäns gehen wir hier nicht in die Details. Item, wir fahren also mit kräftigstem Wind in den Kanal hinein und halten Ausschau nach diesem Liegeplatz. Was wir sehen, sind drei Eisenpfeiler im Kanal, je rund sieben Meter vom linken Ufer entfernt. Monsieur Blavoet, unser Berufsschiffer vom Canal du Nord, steht am Ufer und ruft fröhlich, hier sei es. Hoppla. Mittlerweile ist der Wind noch kräftiger geworden. Er ist ablandig, treibt uns also vom Ufer resp. diesen Eisenpfeilern weg gegen das gegenüberliegende, sichtbar völlig untiefe Ufer. Wir wollen das halbstündige, Schweiss treibende und Nerven kostende Anlegemanöver nicht in allen nautischen Details schildern. Nur soviel: Wir schaffen es. Nach vollbrachtem Werk sind wir fest an diesen mitten im Kanal stehenden Eisenpfeilern vertäut.

Fest vertäut – und weit entfernt vom Ufer

Fest vertäut – und weit entfernt vom Ufer

Monsieur Blavoet fragt freundlich, ob wir eine Gangway hätten. Schon, aber nicht sieben Meter lang. Also keine Möglichkeit, an Land zu gelangen. Aber auch keine Möglichkeit, diesen Ort zu verlassen, weil bei diesem kräftigen Wind von der Seite, der auch am nächsten Tag bläst, an eine Rückwärtsfahrt aus dem Kanal unter der Brücke hindurch nicht zu denken ist. Wir sitzen schlicht und ergreifend in der Falle.

Am Tag drei erwachen wir um sechs Uhr morgens. Die ungewohnte Windstille hat uns geweckt. Ohne Frühstück, mehr oder weniger im Pyjama, arbeiten wir unsere Checkliste «Abfahrt» durch, um in der Eile ja keinen Fehler zu machen. Gottseidank ist unser Gastgeber auch schon wach und bereit, unsere Leinen loszuwerfen. Dann schleichen wir uns rückwärts aus dem Kanal, um ja nicht etwa den Wind zu wecken. Wie wir die Brücke passiert haben und wieder auf der Liaison Grand Gabarit sind, fallen wir uns erleichtert in die Arme und schwören uns: «Nie wieder fahren wir derart ins Ungewisse!» Nehmen wir das nicht so ernst. Das nächste Mal kommt bestimmt, denn Spass muss sein.

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Dünkirchen

Dünkirchen

In Dünkirchen biegen wir hart über Steuerbord in den Canal de Bergues ein. Dieser acht Kilometer lange, schleusenlose Kanal wurde erstmals im 9. Jahrhundert benützt und im 18. Jahrhundert wieder instand gesetzt. Er führt lediglich zum Städtchen Bergues und endet dort.

Am Canal de Bergues

Am Canal de Bergues

Kennen Sie den Film «Bienvenue chez les Ch’tis»? Allein in Frankreich haben ihn über 20 Millionen Menschen gesehen und auch im Ausland war er ein Kassenschlager. Bergues ist das Städtchen, in welchem der Film gedreht wurde.

Liegeplatz in Bergues

Liegeplatz in Bergues

Hier ist alles Ch’ti und weil der Film ja ein unglaublicher Erfolg war, ist Bergues eine Art Wallfahrtsort geworden.

Häuserzeile in Bergues

Häuserzeile in Bergues

Wir machen eine geführte Tour zu den Drehorten des Films und erfahren, dass Dany Boon, der Hauptdarsteller und Produzent, den Film ursprünglich in Armentières, seiner Geburtsstadt hatte drehen wollen. Dort habe ihm aber der Bürgermeister so viele Auflagen gemacht und auch Gebühren für die Benützung des öffentlichen Raumes durch das Filmteam verlangt, dass Dany Boon abgewinkt und in Bergues angefragt habe. Dort habe man ihn mit offenen Armen empfangen und ihm alle Türen geöffnet.

Hauseingang in Bergues

Hauseingang in Bergues

Seither boomt Bergues, der Tourismus übertrifft alle Erwartungen und die Kasse klingelt lustig.

Geführte Touren an die Film-Drehorte

Geführte Touren an die Film-Drehorte

Wir könnten uns vorstellen, dass der Bürgermeister von Armentières jeden Tag mit dem Kopf gegen die Wand rennt aus Wut über seine Beamtenmentalität!

Der Marktplatz von Bergues

Der Marktplatz von Bergues

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Wir fahren den Canal de Bergues wieder zurück nach Dünkirchen, biegen jetzt aber hart über Steuerbord in den Canal de Furnes ein, der hinter den Dünen zur französisch-belgischen Grenze führt. Zuerst allerdings müssen wir noch die Écluse de Furnes in Dünkirchen und die Hebebrücke von Zuydcoote passieren. Die Schleuse wird mit einer neckisch versteckten Zugkette bedient, welche von einem grösseren Schiff aus kaum zu erreichen ist. Wir schaffen es dennoch, aber nichts passiert. Nach einigen erfolglosen Anläufen erreichen wir die Hafenbehörde über Funk. Sie verspricht, uns eine Equipe zu schicken. Diese trifft bereits nach einer halben Stunde ein, macht einen etwas ratlosen Eindruck, kann aber die Schleuse nach einer weiteren halben Stunde in Gang setzen.

Die Hebebrücke von Zuydcoote wird gemäss Beschilderung über Kanal 20 des VHF aufgerufen, alternativ kann man den Brückenwärter per Telefon erreichen. Über Funk erhalten wir keine Antwort und was die angegebene Telefonnummer betrifft, informiert uns eine freundliche Stimme ab Tonband, sie sei ausser Betrieb. Immerhin gelingt es uns, telefonisch Dünkirchen zu erreichen, wo uns glaubhaft in Aussicht gestellt wird, man werde sich darum kümmern. Nach einer halben Stunde Wartezeit meldet sich eine atemlose Frauenstimme auf Kanal 20, sie sei absolut «désolée», sie habe vergessen, den Funk einzuschalten, sie sei unterwegs.

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Wenig später überqueren wir die französisch-belgische Grenze, wovon wir vorerst nichts merken, bis wir uns per Funk beim (belgischen) Brückenwärter melden, der für die Strassen-Drehbrücke von Ieper zuständig ist. Jetzt erleben wir das Kontrastprogramm zu den französischen Kanalbehörden:

«Drehbrücke Ieper, hier Luxemotor Kinette.»

«Kinette, ich höre Sie.»

«Ich komme von Dünkirchen. Können Sie mir die Brücke öffnen?»

«Wo sind Sie genau? Ich sehe Sie noch nicht auf dem Bildschirm.»

«Ich bin gerade unter der Autobahnbrücke.»

«In Ordnung. Ich öffne Ihnen die Drehbrücke, sobald ich Sie auf dem Bildschirm sehe.»

Der Brückenwärter spricht ein sehr deutliches Niederländisch und bemüht sich, nicht flämischen Dialekt zu sprechen. Er hätte bei Bedarf auch englisch gesprochen. Nach Passieren der Drehbrücke rufen wir ihn erneut auf:

«Brückenwächter, wir wollen die Nacht in Veurne verbringen. Wo können wir liegen?»

«Der Hafen ist ziemlich voll. Zweihundert Meter vor Ihnen ist backbord ein Steg, an welchem Sie anlegen können. Kommen Sie nachher für die Vignette bei mir vorbei!»

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Schiffe über 20 Meter Länge sind seit dem 30. Dezember 2008 Berufsschiffen gleichgestellt. Sie haben ziemlich ausgedehnten und detaillierten technischen Anforderungen zu entsprechen, welche in Brüssel ersonnen worden sind. Nach einer eingehenden Prüfung des Schiffes wird ein Zertifikat ausgestellt. Schiffe ohne Zertifikat dürfen während einer Übergangszeit von 10 Jahren (nur) in dem Land fahren, in welchem sie immatrikuliert sind. Welche Anforderungen für Schiffe gelten, die vor 1950 gebaut wurden, und ob Freizeitschiffe in allen Teilen den Berufsschiffen gleichgestellt werden, ist noch völlig unklar.

Wir haben den Winter in Frankreich verbracht und unser in den Niederlanden immatrikuliertes Schiff entspricht diesen neuen Anforderungen (noch) nicht. Theoretisch dürfen wir also in Belgien gar nicht fahren und wir haben diesem Moment etwas bange entgegen geblickt. Ohne Grund, wie sich schnell herausstellt, denn wir erhalten die flämische Fahrvignette ohne weitere Rückfragen und ohne Vorlage der Dokumente. Es genügt, dass wir seit 2006 in der Datenbank der flämischen Behörden erfasst sind. La Communauté Européenne n’existe pas, wenigstens in diesem Fall nicht.

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Der Grote Markt von Veurne

Der Grote Markt von Veurne

Veurne – französisch Furnes – entpuppt sich als ein kleines Bijou. Die Häuser sind flämisch mit einem spanischen Einschlag, sie stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Häuserzeile in Veurne

Häuserzeile in Veurne

Im Glockenturm von Veurne hängen über fünfzig Glocken, ein sogenanntes Carillon, ein Glockenspiel also. Der Glockenspieler spielt auf einer Tastatur und zwar mit sehr viel Kraftaufwand.

Tastatur eines Glockenspiels

Tastatur eines Glockenspiels

Am Sonntagabend kommen wir in den Genuss eines einstündigen Konzerts mit klassischen und modernen Stücken. Die Abendsonne scheint bis spät in den Abend hinein, wir sitzen bei einem Trappistenbier auf dem Grossen Markt und fühlen uns wie irgendwo im Süden.

Läutwerk eines Carillons

Läutwerk eines Carillons

Die meisten Glockentürme spielen auch zur Viertelstunde eine kurze Melodie, dann aber automatisch mit einem Walzwerk wie bei einer Musikdose.

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Wir haben beschlossen, nicht direkt im Kanal hinter den Dünen nach Nieuwpoort zu fahren, sondern den Lo-Kanal hinauf bis zum Flüsschen Yser und dann dieses hinunter nach Nieuwpoort. Dazu müssen wir unmittelbar nach der Schleuse in Veurne auf relativ engem Raum eine Spitzkehre machen und vor dieser hat Christian insofern Respekt, als das Manöver fürchterlich in die Hosen gehen kann, wenn wir – wie seit einigen Tagen – kräftigen Westwind haben. Dann liegen wir nämlich mit dem Wind von der Seite quer im Kanal und diese Situation brauchen wir kein zweites Mal.

Die Spitzkehre in Veurne zum Lo-Kanal (Kartenausschnitt: PC Navigo)

Die Spitzkehre in Veurne zum Lo-Kanal (Kartenausschnitt: PC Navigo)

Aber am Morgen unseres Auslaufens aus Veurne sind uns alle Kanalgötter günstig gesinnt, es ist praktisch windstill und wir fädeln problemlos in den ziemlichen engen Lo-Kanal ein. Dieser Kanal wurde im 13. Jahrhundert ursprünglich als Entwässerungskanal angelegt. In unserem Kanalführer wird er als schmaler, untiefer, kleiner Kanal beschrieben. Aber das stimmt wohl kaum mehr, denn wir haben in den letzten Tagen auf dem Kanal Yachten gesehen, die bestimmt mehr Tiefgang haben als unser Plattbodenschiff.

Der schmale Lo-Kanal

Der schmale Lo-Kanal

Ein Brückenwärter begleitet uns, um die vier Hebebrücken zu bedienen. Drei Stunden später schleusen wir durch die Fintélesluis und machen in Fintéle direkt hinter dem Restaurant «de Hooipiete» am Steg an.

Auf der Yser in Fintele

Auf der Yser in Fintele

Es ist einer der Liegeplätze, von denen man nach drei Wochen Jubel und Trubel in Paris träumt: Ein paar Enten, die zufrieden schnattern, der Wind, der durch das Schilf streicht, Kühe, die im Wasser stehen und vor der «Haustüre» ein paar hundert Kilometer narrensicher ausgeschilderte Velowege…

Die Aussicht in Fintéle

Die Aussicht in Fintéle

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In Fintéle stossen eine Schwester von Charlotte mit Ehemann und ihren Enkelkindern Simone und Sonja zu uns, die uns bis Gent begleiten werden.

Unser erstes Teilstück ist das Flüsschen Yser (ausgesprochen «Äiser»). Die Yser ist ein idyllisches Wasser, schmal und mit vielen Windungen, für ein Schiff unserer Grösse nahe an der Grenze der Befahrbarkeit. Aber wir haben in den letzten Wochen so viele Grossschifffahrtstrassen befahren, dass wir diesem kleinen Flüsschen schlicht nicht widerstehen können.

An der Grenze der Befahrbarkeit

An der Grenze der Befahrbarkeit

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Das Gebiet der Yser ist im Ersten Weltkrieg mit dem Blut hunderttausender Soldaten buchstäblich gedüngt worden: Nach dem deutschen Überfall auf Belgien erreicht die erschöpfte belgische Armee Mitte Oktober 1914 die Yserebene. Der Oberbefehlshaber, König Albert I., verlangt von seinen Soldaten, in einer letzten Anstrengung ein Stück belgischen Territoriums vor der deutschen Besatzung zu bewahren. Die Schlacht tobt, Angriffe und Gegenangriffe wechseln einander ab. Die Gräben werden erobert und gleich wieder zurückerobert. Der belgische Kommandant entscheidet sich, die Yserebene zu überfluten, um den deutschen Vormarsch aufzuhalten. Dieses Manöver ist erfolgreich. Die ansteigenden Fluten verhindern die Durchbruchsversuche der Deutschen. Der Bewegungskrieg wird zu einem Grabenkrieg. Die Deutschen bleiben in der Nähe der Yser, die Belgier graben sich hinter dem Eisenbahndamm Nieuwpoort – Diksmuide ein. Zwischen ihnen gibt es nur Wasser und Sümpfe – bis Kriegsende.

Auf der Yser beim Totengang

Auf der Yser beim Totengang

Heute noch ist ein Teil dieser Schützengräben, der «Totengang», erhalten und in einem kleinen Museum werden die damaligen Ereignisse veranschaulicht.

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Die Yser mündet in Nieuwpoort in die Nordsee. Vor den Seeschleusen liegt ein grosses Wasserbecken mit einem gut ausgestatteten Jachthafen, in welchem wir die nächsten drei Tage verbringen.

Sonnenaufgang im Jachthafen von Nieuwpoort

Sonnenaufgang im Jachthafen von Nieuwpoort

Die Gegend um Nieuwpoort und die ganze westflandrische Nordseeküste ist, wie wir es schon von Holland her kennen, mit einem ganzen Netzwerk vorbildlich ausgeschilderter Velowege versehen. Hier ist zwar alles flach, aber dafür gibt es Wind und Gegenwind.

Velofahren im Gegenwind

Velofahren im Gegenwind

Natürlich machen wir wieder lange Velotouren, und mieten ein Tandem, weil Simone, das jüngere der beiden Mädchen, im Gegenwind überfordert wäre.

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Von Nieuwpoort aus läuft der 21 km lange Plassendale-Nieuwpoort-Kanal hinter den Dünen der Nordseeküste entlang. Wegen der sieben Hebebrücken kommen wir nur langsam voran, bis wir östlich von Oostende in den Kanal Gent-Oostende einbiegen. Unser Reiseziel ist Brügge, wo wir nach siebeneinhalb Stunden in den Hafen einlaufen.

Kanäle in Brügge

Kanäle in Brügge

Brügge gehört seit dem Jahr 2000 zum Weltkulturerbe. Das schlägt sich nieder im hervorragenden Erhaltungszustand der Gebäude und der Sauberkeit der Stadt.

Der Beginenhof mitten in Brügge

Der Beginenhof mitten in Brügge

Die Brügger hätten es gerne, man würde von ihrer Stadt als «Venedig des Nordens» sprechen. Aber das wäre zuviel der Ehre. Nur schon das nahe gelegene Gent hat mehr Kanäle aufzuweisen und überhaupt gebührt dieser Titel Amsterdam mit seinen zahllosen Grachten.

Bootsfahrt durch Brügge

Bootsfahrt durch Brügge

Brügge ist voller grossartiger Gebäude, Kirchen und Kunstschätze und man könnte sich während Wochen von Museum zu Museum hangeln.

Eine prunkvolle Muttergottes in der Église Notre-Dame

Eine prunkvolle Muttergottes in der Église Notre-Dame

Kehrseite dieser ganzen Pracht sind die Tausende von Touristen, die sich durch die Strassen drängen, immer auf der Hut vor den zahlreichen Pferdekutschen.

Auch das ist Brügge

Auch das ist Brügge

Zur Kehrseite gehören vor allem die horrenden Preise und die ausgesprochen unfreundliche bis unhöfliche Bedienung in den Gaststätten. Derart schamlos wurde man vor Jahren nicht einmal in Graubünden geneppt und behandelt, und das will etwas heissen.

Maria mit Kind von Michelangelo in der Église Notre Dame in Brügge

Maria mit Kind von Michelangelo in der Église Notre Dame in Brügge

Aus dem Logbuch

  • Saint Venant (sur Lys). Unterhalb der Schleuse am linken Ufer Quasi mit Pollern. Wasser und Elektrisch. Gratis. Einaufsmöglichkeiten.
  • Bergues. Am Ende des Canal de Bergues. Quai mit Pollern sowie Ponton mit Pollern. Am Ponton verschlossener Kasten mit Wasser und Elektrisch. Schlüssel gegen Depot von € 40 im Office de Tourisme erhältlich. Liegegebühr € 7.50/Nacht plus € 0.25/Person. Ein Schild verbietet Pénichen (also uns) unter Strafandrohung das Festmachen am Ponton. Wir lagen fünf Tage dort. Gute Einkaufsmöglichkeiten. Markt am Montag.
  • Veurne (Canal de Furnes). Langer Holzsteg mit Klampen. Gratis. Keine Einrichtungen. Im Hafen Fingerpontons für Yachten und einige Liegeplätze längs am Quai. Elektrisch (beim Schleusenwärter melden). Gratis. Wasser in der Schleuse.
  • Lo-Reninge (Kanaal van Lo). Liegeplatz bei der Fintelesluis, direkt hinter dem Rest. «De Hooipiete». Von dort kann gegen € 5.00/Tag auch Elektrisch und Wasser bezogen werden. Keine Einkaufsmöglichkeiten, aber das Restaurant ist einen Besuch wert.
  • Diksmuide. Jachthafen. Fingerpontons. Wasser und Elektrisch. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Nur im Vorbeifahren gesehen.
  • Nieuwpoort. Grosser Jachthafen im Spaarbekken bei der St-Joris-Sluis. Fingerpontons und einige Kopfstege für grössere Schiffe. Wasser und Elektrisch. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Idealer Ausgangspunkt für Velotouren entlang der westflandrischen Nordseeküste.
  • Brugge. Jachthafen Brugge Flandria. Fingerpontons für Jachten auf der einen Seite, langer Quai mit Klampen an der anderen Seite. Wasser und Elektrisch (16 Amp). Kostenpflichtig. 20 Minuten Fussmarsch ins Zentrum oder Bus. Spärliche Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum.

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