Bericht 134, April/Mai 2017

Weener – das Ende der Winterpause

Mitte April im Zürcher Oberland

Mitte April im Zürcher Oberland

«Es war wesentlich einfacher, als wir noch ganzjährig auf dem Schiff lebten!» seufzt Charlotte, wie wir in unserer Winterabsteige im Zürcher Oberland unsere Habseligkeiten für den Umzug aufs Schiff packen. Wo sie recht hat, hat sie recht. Auch wenn wir unsere Schiffskleider (mottensicher) und die gesamte Haushalteinrichtung (staubsicher) im Herbst auf dem Schiff zurück lassen, ist die Packliste jeweils beeindruckend lang.

Aber unserer Enkel wegen haben wir uns vor sechs Jahren entschieden, von April bis Oktober auf dem Schiff, und von November bis März an Land zu wohnen. Die Enkel und die überraschende Erkenntnis, dass wir nicht jünger werden, hat in uns übrigens den Entschluss reifen lassen, «Kinette» zum Verkauf auszuschreiben. Wenn uns etwas nicht leichtfällt, dann dieser Schritt.

Als bequemste und günstigste Lösung für unsere Umzüge im Frühling und Herbst hat sich übrigens die Miete eines Autos erwiesen. Mietet man einen Wagen im grenznahen Deutsch­land, etwa in Singen und gibt ihn wiederum in Deutschland zurück (in unserem Fall im ostfriesischen Papenburg), so ist der Zuschlag für die Einwegmiete vernachlässigbar. Eine Einwegmiete von der Schweiz nach Deutschland hingegen ist ruinös.

Kinette im ostfriesischen Winter

Kinette im ostfriesischen Winter

Von unseren Schifferkollegen in Weener, wo Kinette den Winter verbracht hat, wissen wir, dass der Hafen eine kurze Zeit zugefroren war. Die Eisdecke war dünn, hielt nur wenige Tage und richtete keinen Schaden an.

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Auf unserer Fahrt nach Ostfriesland machen wir Zwischenhalt bei unseren Freunden Nell und Frits van Geijtenbeek in Meerkerk bei Utrecht. Wir haben unsere Fondue-Gerät­schaften, Fendant und eine tüchtige Portion moitié-moitié1 mitgebracht und so sitzen wir einmal mehr gemütlich beisammen und erzählen uns gegenseitig von unseren diesjährigen Törnplänen. Sie wollen nach Berlin, wir nach Lübeck und Hamburg. Vielleicht treffen wir uns ja auf dem Mittellandkanal.

1 Auf Deutsch bedeutet «moitié-moitié» so viel wie «halbe-halbe». Das heisst, dass dieses klassische Fondue aus dem Westschweizer Kanton Fribourg aus den zwei traditionellen Käsesorten dieser Region komponiert wird: je zur Hälfte aus dem zart schmelzenden Vacherin Fribourgeois und aus dem Greyerzer, dem bekannten Hartkäse. Diese Mischung macht das Fondue Moitié-Moitié zu einem der beliebtesten der Schweiz (Information: Migros Schweiz).

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Am 21. April treffen wir in Weener ein. Daniël Heuvelman, der niederländische Schiffs­elektriker, der Kinette seit Jahren betreut, ist bereits da und hat den während des Winters vom Hersteller revidierten Bugschraubenmotor (samt einem neuen Umschaltrelais) sowie den ebenfalls revidierten Anlasser des Schiffsdiesels wieder eingebaut. Die Revisionen waren eine reine Vorsichtsmassnahme. Beide Elektromotoren haben nun zwölf Jahre lang klaglos ihren Dienst getan, aber wir sind keine Fans von unangenehmen Überraschungen.

Kinette hat den ostfriesischen Winter bestens überstanden

Kinette hat den ostfriesischen Winter bestens überstanden

Wenn wir nach fünf Monaten Abwesenheit zurück aufs Schiff kehren, sind wir erstens gespannt, wie das Aussenschiff den Winter mit Schnee und Frost überstanden hat und ob alle Systeme wieder funktionieren: Heizung, Wasser, Toiletten. Wir können es kurz machen: Nach einer gründlichen Reinigung mit Wasserschlauch und weicher Bürste sieht das Schiff aussen wieder so aus, wie wir es im Herbst verlassen haben. Das Steuerhaus haben wir letztes Jahr erstmals nicht mit Klarlack, sondern mit Owatrol D1, einem Teaköl, behandelt. Das hat sich bewährt, ein neuer Teaköl-Auftrag wird genügen. Möglicherweise werden wir darüber Owatrol D2 auftragen. Laut Herstellerinformation bildet das D2 einen hoch­glän­zen­den, elastischen Film, der im Gegensatz zu Klarlack weder spröde noch rissig wird.

Trinkwasserdesinfektion

Trinkwasserdesinfektion

Wir bunkern 1000 Liter Wasser, dem wir ein Desinfektionsmittel beifügen. Wir verwenden das in der Berufsschifffahrt gebräuchliche HADEX von Hatenboer Water. «AQUACLEAN» von YachtiCon geht auch. Wichtig ist einfach, dass man desinfiziert. Auch wenn unsere Trinkwassertanks aus rostfreiem Stahl sind, sollte man das Wasser, vor allem im Sommer bei wärmeren Temperaturen, nicht sich selbst überlassen, sonst wird es «lebendig». Eine Toilette und ein Wasserhahn brauchen eine neue Dichtung, das ist Routine, sonst funktionieren die technischen Systeme einwandfrei.

Das war jetzt etwas technisch und zugegebenermassen trocken. Aber wir wollen ja nicht den Eindruck vermitteln, Schiff fahren sei nur sun, fun and nothing to do!

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Unweit von Weener, auf der Ems ein paar Kilometer stromaufwärts, liegt Papenburg. Hier ist die Meyer Werft (www.meyerwerft.de) zuhause, die man – so haben uns unsere Weeneraner Freunde versichert – einfach einmal besucht haben muss. Die Meyer Werft, ein 1795 gegründeter Familienbetrieb, der heute in der siebten Generation geführt wird, verfügt über das weltweit grösste überdachte Baudock. Hier werden Fähren, RoRo-Schiffe2, Gastanker, Forschungsschiffe und riesige Kreuzfahrtschiffe für Reedereien wie AIDA und Costa gebaut.

2 RoRo bedeutet Roll on Roll off, d.h. die Ladung, meistens Personenwagen, Lastwagen oder Züge, wird über eine Bug-, Heck- oder Seitenklappe auf das Schiff gefahren.

Ein Kreuzfahrtschiff entsteht

Ein Kreuzfahrtschiff entsteht

Für Liebhaber von Traditionsschiffen sind die kreuzfahrenden Ungetüme natürlich der reine Horror, ebenso die Vorstellung, zusammen mit ein paar tausend Mitpassagieren und nicht viel weniger minimalentlöhntem Schiffspersonal von A nach B zu schippern. Aber es ist zugegebenermassen imposant, wie im 504 Meter langen und 45 Meter breiten Baudock II (das Baudock I ist etwas kleiner) in 18 Monaten Bauzeit ein schlüsselfertiger Ozeanriese entsteht.

Ein Kreuzfahrtschiff entsteht

Ein Kreuzfahrtschiff entsteht

Von der Meyer Werft gebaut: Ein AIDA Schiff

Von der Meyer Werft gebaut: Ein AIDA Schiff

Kommt hinzu, dass die Meyer Werft für das Emsland auch über die 3’140 direkt Be­schäf­tig­ten hinaus ein enorm wichtiger Arbeitgeber sowie ökonomischer Faktor für das Emsland ist: Es gibt mehr als 14’400 Arbeitsplätze bei den rund 2’000 Zulieferern der Meyer Werft fast ausschliesslich in Deutschland und der EU, nur an Lieferanten in der Region werden jährlich Aufträge im Umfang von 200 Mio Euro vergeben und zu guter Letzt generieren jährlich 250’000 Besucher ca. 340 Vollzeitstellen.

Auf der Meyer Werft

Auf der Meyer Werft

Damit die riesigen Kreuzfahrtschiffe nach ihrem Stapellauf überhaupt auf der ver­hält­nis­mässig schmalen Ems überhaupt bis zur Nordsee geschleppt werden können, muss die Ems jeweils durch das Emssperrwerk aufgestaut werden. Zusätzlich muss die Ems immer wieder ausgebaggert werden. Deshalb ist der Fluss tot und je mehr ausgebaggert wird, desto mehrt Schlick bringt die Flut ins Flussbett. Auch die an der Ems gelegenen Häfen verschlicken. Eigentlich ist es ja ein völliger Unsinn, eine Riesenwerft, in welcher Riesenschiffe gebaut werden, landeinwärts am Ufer eines immer schmaler werdenden Flusses anzulegen. Eine solche Werft gehört ans Meer. Aber der Standort hat historische Gründe und wegen der immensen ökonomischen Bedeutung der Meyer Werft in diesem strukturschwachen Gebiet sind die kritischen Stimmen nicht allzu laut.

Das Emssperrwerk im Dollart

Das Emssperrwerk im Dollart

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Klönschnack der Seebären

Klönschnack der Seebären

«Klönschnack» bedeutet im Norddeutschen eine gemütliche Plauderei und zu einer solchen finden sich (v.l.n.r.) Christian, Hilmar, Hartwig und Bernhard zusammen, um den von uns geplanten Törn zu besprechen. Hilmar, Hartwig und Bernhard kennen das Revier wie ihre Hosentasche und sie können uns manch wertvollen Tipp geben. Aber einstweilen ist das Wetter noch so garstig, dass wir lieber im kuschelig warmen Schiff bleiben und unseren geschützten Arbeitsplatz ausnützen.

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Seit langem wollten wir schon die Holzdecken der Räume im Schiff – Eignerkajüte, Salon, Achterkajüte und Dusche/Toilette achtern – neu streichen. Wir haben das immer vor uns her geschoben, weil wir annahmen, wir müssten das Holz vor dem Farbauftrag anschleifen.

Streichen der Holzdecken

Streichen der Holzdecken

Vor unserem geistigen Auge sahen wir alles mit Schleifstaub zugepudert und mit Farbe vollgekleckst – bis uns niederländische Schiffseigner auf das Produkt «SchilderSchoon» von Alabastine aufmerksam machten. Dabei handelt es sich um einen flüssigen Farb­reiniger, der zugleich einen Haftgrund für die neue Farbe bildet, sodass man nicht anschleifen muss. Genial! Die grösste Arbeit war, wie immer beim Malen, die Vorbereitung. Aber dann gings zügig und unser Schiff erstrahlt auch inwendig in neuem Glanz! Jetzt muss eigentlich nur noch das Wetter besser werden und wir können die Leinen loswerfen!

Aus dem Logbuch:

  • Weener. Moderner Sportboothafen mit allen notwendigen Einrichtungen sowie Alter Hafen für Traditionsschiffe. Kostenpflichtig. Das Gebiet ist strukturarm und das merkt man dem Städtchen auch an. Dennoch sind alle Einkaufsmöglichkeiten vorhanden (Grosser EDEKA, Combi sowie Baumarkt Holz+Bau). Jeweils am Donnerstag Fischverkäufer vor dem EDEKA. Heimatmuseum, Orgelmuseum. Grosses Freibad (offen von Mitte April bis Mitte September) mit beheiztem Schwimmbecken, Riesenrutschbahn und Dampfsauna. Busverbindungen in alle Richtungen, Bahnverbindung nach Groningen. Einkaufstipp: Die in Gläsern nach Grossmutters Art eingemachten Fleischkonserven des Metzgers Leggedör.

5 Gedanken zu „Bericht 134, April/Mai 2017

  1. Hallo Charlotte, hallo Christian,
    schön, das es auf eurer Seite wie gewohnt weitergeht. Nicht so schön ist die beiläufige Ankündigung des Verkaufs der Kinette. Ausserdem wird es anscheinend nichts mit einem Treffen am Mittelandkanal. Wir sind von mitte nächster Woche an für 14 Tage auf einem Mietboot in den Niederlanden unterwegs. In dieser Zeit werdet ihr wahrscheinlich hier bei uns vorbeischippern. Doch es gibt ja noch eine Rückfahrt. Wir wünschen euch eine schöne Fahrsaison mit der Kinette in Norddeutschland und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel eures Schiffes.

    Grüße aus Lübbecke
    Monika und Hartmut Blase

  2. Werter Herr Huber
    Ich lese regelmässig ihre Berichte. Nun ist mir aufgefallen, dass die Kinette die Niederländische und nicht mehr die Schweizer Nationalflagge führt.
    Können Sie mir dies erklären? Gemäss dem niederländischen Wateralmanak wäre doch die Schweizerflagge zu führen?
    Besten Dank für Ihre kurze Rückmeldung und einen guten Start in die neue Saison.
    Freundliche Grüsse Rolf Schlebach

    • Guten Morgen,
      Früher wurden wir gefragt, was eine Schweizer Flagge an einem Schiff mit Heimathafen Amsterdam zu suchen habe. Heute fragt man uns, warum wir als Schweizer die niederländische Flagge führen. Sie sehen, wir können es niemandem recht machen… Spass beiseite: Der niederländische Wateralmanak, der keine Gesetzeskraft hat, spricht von „Yachten“, bei denen die Flagge der Nationalität des Eigners folgen müsse. Kinette ist mit 22.57 m keine Yacht, sondern rechtlich ein „grosses Schiff“. Hier ist Flaggenführung nach Heimathafen üblich. In unserem Fall kommt hinzu, dass das Schiff eine niederländische Europa-Nummer hat, bei einer niederländischen Versicherung versichert ist und wir selbst in Amsterdam einen Wohnsitz haben. Unsere Umflaggung vor einigen Jahren hat auch einen FINMA-technischen Hintergrund; das würde hier aber zu weit führen.
      Mit fröhlichen Schiffersgrüssen
      Charlotte und Christian Huber

  3. Lieber Christian und liebe Charlotte Huber
    Wir trafen uns an der Tapas-Gaststätte in Weener und haben uns angeregt unterhalten. Wir haben heute die Ems-Quelle erreicht und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Weiterreise.

    Emsquelle
    Emsquelle

  4. Hallo aus Ost-Belgien,
    seit vielen Jahren verfolge ich Eure Internetseite und die Reisen mit Kinette.
    Ich hatte immer gehofft, Euch einmal auf dem Wasser zu treffen, die Welt ist ja bekanntlich manchmal klein. Aber nur kommt Eure wohl letze Reise mit Kinette. Daher frage ich, wie Eure Tour aussehen soll, ich würde das wunderschöne Schiff gerne einmal selbst sehen.

    Unsere Pläne werden uns wohl dieses Jahr auf eine Runde durch die Niederland führen: Maastricht – Zwolle – Stadskanal – Groningen – Lauwersmeer – Leuwaarden – Sneek – Alkmaar- Utrecht-und zurück über die Maas nach Maastricht für den Winter. Wir haben uns von Ende Juli bis Anfang Oktober Zeit genommen. Mal sehen, wie lange wir dann doch irgendwo „hängen bleiben“. Eure Reisebericht gehören immer bei unseren Törns zur Lektüre, herzlichen Dank dafür.

    Herzliche Grüße aus Raeren und vielen Dank.
    Karl Nienhaus
    Gabriele Bär-Nienhaus
    That’s Life

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