Bericht 2, Juni 2005

Den ganzen Mai lagen wir im Jachthafen «de blauwe beugel» in Aalsmeer und machten uns mit unserem Schiff vertraut. Kapitän Max fuhr mit uns Hafen-, Brücken- und Anlegemanöver bei allen Wind- und Wetterverhältnissen, bis er meinte, wir könnten jetzt allein auf grosse Fahrt gehen. In dieser Zeit erhielten wir auch Besuch von Andy Müller, der für TeleZüri einen 10minütigen Film drehte, der in zwei Teilen ausgestrahlt wurde. Leider können wir hier TeleZüri nicht empfangen, aber wir haben mittlerweile den Film auf DVD erhalten. Nun begreifen wir, warum diese beiden Sendungen so hohe Einschaltquoten hatten! Der zweite Medienbesucher war Viktor Dammann vom BLICK, der dann einen ganzseitigen Bericht brachte mit – wie man uns sagte – sehr schönen Fotos. Mittlerweile haben weitere Journalisten ihr Interesse angemeldet. Das freut uns natürlich, aber wir müssen diese Besuche ein bisschen verteilen. Schliesslich sind wir ja nicht Wochen, sondern Monate unterwegs!

Am 1. Juni 2005, punkt 10.00 Uhr hiess es in Aalsmeer «Leinen los» und das Abenteuer begann wirklich. Zuvor hatten wir die TV-Schüssel abmontiert und den Mast gelegt, um unter den Brücken zwischen Aalsmeer und Gouda durchfahren zu können. Es war schon ein kribbelndes Gefühl, ganz allein unterwegs zu sein. Mit Brücken und entgegenkommenden oder überholenden Berufsschiffen hatten wir überhaupt keine Probleme. Aber wo wir wirklich aufliefen, war der Funkverkehr. Es wird sehr undeutlich gesprochen und alles auf Niederländisch. Auch wenn Christian die Sprache sehr gut spricht, hatte er mit der Verständigung über Funk die grösste Mühe. Zum Trost hat uns ein Niederländer bestätigt, dass es ihm genau gleich ergehe.

Unsere erste Station war Gouda, ein ganz reizendes Städtchen, berühmt für seinen Käse. Wir hätten mit Kinette ins Städtchen hineinfahren können, aber es sah alles ziemlich eng aus und wir hätten wegen der Schleusen und Brücken ziemlich viel Zeit gebraucht. Also legten wir an einem grossen Steg etwas ausserhalb von Gouda an und fuhren dann per Velo ins Städtchen.

Das Wetter war sehr warm, beinahe sommerlich und Gouda strahlte mit seinen engen Gassen und den vielen Boulevardcafés einen geradezu südländischen Charme aus.

Zusammen mit Kapitän Max hatten wir eine Fahrtroute von Gouda auf die Maas festgelegt. Beim genauen Kartenstudium wurde es dann Christian bang und bänger. Bei Dordrecht biegt man von der Oude Maas in die Dordtse Kil ein. Diese Stelle ist eine der meist befahrenen Wasserstrassen in Europa.

Vollgeladene Schubverbände mit bis zu 8 Schubeinheiten rauschen von drei Seiten in voller Fahrt heran und machen bis zu 3 m hohe Wellen. Bei schlechter Sicht und viel Verkehr (und unverständlichem Funkverkehr!) sieht man da ziemlich schnell alt aus. Kapitän Max muss Christians Schmetterlinge im Bauch ziemlich laut gehört haben, jedenfalls anerbot er sich, von Gouda bis auf die Maas als Lotse mitzufahren. Der Stein, der Christian vom Herzen fiel, muss weitherum hörbar gewesen sein.

Wie das Leben so spielt, war das Wetter prächtig und der Verkehr bei Dordrecht beinahe unheimlich schwach. Unser Lotse jedenfalls sonnte sich auf dem Vordeck und sang fröhlich ein holländisches Lied, wonach er besser bei Muttern zu Hause geblieben wäre. Wir profitierten dennoch von seiner grossen Revierkenntnis: Im Biesbosch, einem riesigen Delta und prachtvollen Naturschutzgebiet, wies er uns nach fünf Stunden Fahrt zu einem Liegeplatz, wo wir nur Blätterrauschen und Vogelgezwitscher hörten. Wir sassen bis spät abends im Steuerhaus, philosophierten über Gott und die Welt und labten uns an Zigarren und zollfreiem Cognac. Es bleibe dahingestellt, ob der Cognac oder die göttliche Stille dafür verantwortlich waren, jedenfalls schliefen wir am nächsten Tag ausgiebig aus.

Nächste Station war Heusden, ein überaus gepflegtes mittelalterliches Städtchen an der Maas, Provinz Brabant. Die Einfahrt in den Stadthafen ist sehr eng und ziemlich trickreich, aber durchaus der Mühe wert. Als es dann nämlich am Abend blitzte und donnerte, lagen wir so sicher wie in Abrahams Schoss. Der Hafen gefiel uns so gut, dass wir noch einen Tag und eine Nacht dazugaben. Charlotte benützte diesen Tag zum Lädele in Heusden, während Christian zuhause (sic!) blieb und über den Wasserkarten die weitere Route ausbrütete.

Den Verkehr, den wir in Dordrecht erwartet, aber nicht erlebt hatten, fanden wir dann auf der Maas. Und zwar reichlich. Wir beherzigten die Ratschläge von Kapitän Max und fuhren allzeit brav am Steuerbordufer, also rechts wie auf der Strasse. Aber als uns das erste Mal ein grosser Brocken in voller Fahrt und mit schäumender Bugwelle entgegenkam, hatten wir schon reichlich Herzklopfen. Auf den Wasserstrassen gilt, wie gesagt, Rechtsverkehr – aber nur in der Regel. Wenn aus Strömungs- oder anderen Gründen für ein Kreuzungsmanöver auf Linksverkehr umgestellt wird, so zeigt dies die Berufsschifffahrt mit einer blauen Tafel an.

Auf der Fahrt von Venlo nach Maasbracht kamen uns einmal zwei grosse Frachtschiffe entgegen, die sich ein Elefantenrennen lieferten. Natürlich kam uns der Überholer auf unserer Flussseite entgegen und nichts, aber auch wirklich gar nichts sprach dafür, dass zwischen ihm und dem Maasufer noch Platz für unser Schiff gewesen wäre. Wir warteten ungeduldig auf die blaue Tafel, aber nichts geschah und es wäre ein grober Fahrfehler gewesen, dennoch nach links auszuweichen.

Also blieben wir stur auf Steuerbord und vertrauten auf die Professionalität der Berufsschiffer. Und siehe da, der Überholer bog nach Steuerbord ein und wir konnten gefahrlos kreuzen. Aber aus der Distanz gesehen, wie auf der Foto oben, kann man unser Herzklopfen möglicherweise nachvollziehen. Immerhin kommen da tausend Tonnen in rauschender Fahrt entgegen – mit entsprechendem Bremsweg. Hilfreich ist in solchen Fällen der Schiffsfunk. Das Problem haben wir allerdings schon erwähnt: Im Berufsverkehr wird schnell, undeutlich und für uns überwiegend unverständlich gesprochen. Nur an den Schleusen gibt man sich grosse Mühe.

Zum Thema Schleusen: Anders als in den idyllischen Ferienrevieren beispielsweise im Burgund schleust man hier zusammen mit der Berufsschifffahrt und die Schleusen sind riesig. Als «Geertje» aus Werkendam beim Ausfahren aus der Schleuse in Heel Schub gab, waren wir froh, hatten wir vorsorglich die Leinen noch nicht losgeworfen. Sonst hätte es uns in dieser Schleuse wie in einer Waschtrommel herumgewirbelt.

Bei der Ausfahrt aus der Schleuse Heel hatten wir dann endlich den Verkehr, den wir in Dordrecht erwartet hatten. Hier münden zwei stark befahrene Seitenkanäle in die Maas ein und auf den ersten Blick fuhren alle Schiffe kreuz und quer. Aber wir fühlten uns weitaus sicherer als beispielsweise auf einem Autobahndreieck in der Schweiz, wo relativ unbeschwert um die Strassenverkehrsgesetzgebung rechts überholt oder über alle Spuren hinweg gewechselt wird.

In Maasbracht schalteten wir im Prins Mauritshafen einen Ruhetag ein, den wir zum Einkaufen und für eine ausgiebige Velotour benützten. Die Provinz Limburg und die angrenzende belgische Provinz Vlaanderen verfügen, das muss man neidlos zugestehen, über eine hervorragende Lebensqualität. Saubere, sehr gepflegte Dörfer, unzählige Seitenarme der Maas mit kleinen Seen, eine weite Landschaft und eine für uns an Hochpreise gewöhnte Schweizer sehr günstige Gastronomie. Das Fahrrad-Tourennetz ist hervorragend ausgeschildert. Die Knotenpunkte dieses Netzes sind nummeriert und mit Übersichtskarten versehen. Bei jeder Wegkreuzung oder Abzweigung sind die nächsten Knotenpunkte ausgeschildert. Radwege oder zumindest Radstreifen sind eine Selbstverständlichkeit. Die Radwegbeschriftung ist grenzüberschreitend und wir merkten nicht einmal, dass wir uns für ein längeres Wegstück in Belgien befanden.

Unmittelbar nach Maasbracht fuhren wir in die Schleuse mit dem höchsten Hub in den Niederlanden, nämlich 14 m. Die Schleusenschlucht ist schon sehr imposant, aber Schwimmpoller erleichtern das Anlegen und Vertäuen ungemein.

Unsere letzte Station in den Niederlanden war Maastricht. Diese Stadt an der Grenze zu Belgien hat durchaus pariserischen Charme und ihr Stadthafen «t’Bassin» ist allemal einen Besuch wert. Zwei Zufahrten führen zu diesem Hafen: Eine geht direkt von der Maas durch eine kleine Schleuse und dann unter einer niedrigen Brücke hindurch in den Hafen hinein. Nach unserer Wasserkarte war diese Brücke gerade etwas zu niedrig für unser Schiff, sodass wir uns für die zweite Einfahrtsmöglichkeit entschieden. Anstelle langer Beschreibungen haben wir sie fotografisch dokumentiert.

Nach dem Durchschlängeln durch Wohnboote und sogenannte Wohnarchen...

Nach dem Durchschlängeln durch Wohnboote und sogenannte Wohnarchen…

...war die nächste Herausforderung die geringe Höhe einer Eisenbrücke...

…war die nächste Herausforderung die geringe Höhe einer Eisenbrücke…

...nach deren Passieren sich der Blick auf einen Tunnel auftat,...

…nach deren Passieren sich der Blick auf einen Tunnel auftat,…

...in welchen wir zuerst einmal sorgfältig einfädeln mussten,...

…in welchen wir zuerst einmal sorgfältig einfädeln mussten,…

...,weil wir links und rechts nur noch eine Handbreit Luft hatten. Also: Schiff gerade halten, weil es sonst hässliche Kratzer gibt!

…,weil wir links und rechts nur noch eine Handbreit Luft hatten. Also: Schiff gerade halten, weil es sonst hässliche Kratzer gibt!

Und dann endlich tat sich der Blick auf und vor uns lag der alte Stadthafen von Maastricht, «t’Bassin».

Und dann endlich tat sich der Blick auf und vor uns lag der alte Stadthafen von Maastricht, «t’Bassin».

«t’Bassin», der alte Stadthafen von Maastricht

«t’Bassin», der alte Stadthafen von Maastricht

In Maastricht verbrachten wir drei Tage. Wir gerieten im wahrsten Sinn des Wortes in ein Riesenfest, das traditionelle Fest der Riesen. Am Sonntag fand ein Umzug statt, der uns in manchem an unser geliebtes Zürcher Sechseläuten erinnerte – nur waren es hier nicht weniger als 81 Gruppen in zum Teil wunderschönen historischen Kostümen.

Am Montag hiess es Abschied nehmen von Maastricht und wir fuhren weiter maasaufwärts. Wir benützten die langen Strecken zwischen den Schleusen, um unseren Schiffsmotor wieder einmal richtig durchatmen zu lassen. Die Kanalabschnitte mit Geschwindigkeitsbeschränkung hatte er nämlich unmissverständlich mit einem blauen Räuchlein aus dem Auspuff quittiert. Wir pflügten uns full speed durch die Wellen und spürten richtig, wie der Sechszylinder wieder frei und unbeschwert stampfte.

Nach drei Tagen kamen wir in Namur an, unserem ersten Zwischenziel. Hier fand über das Wochenende vom 17.–19. Juni ein Treffen der Dutch Barge Association (DBA) statt. Aus ganz Europa kamen Skipperpaare mit alten holländischen Schiffen zusammen, welche zu Wohnbooten umgebaut worden sind. Es war eine einzigartige Gelegenheit, mit Gleichgesinnten zu fachsimpeln, andere Schiffe zu besichtigen und Erfahrungen über Fahrgebiete auszutauschen.

Was unsere weiteren Reisepläne betrifft, werden wir die nächsten Wochen in Belgien bleiben. Wir erwarten auf anfangs nächste Woche unsere Tochter aus der Schweiz, welche eine Woche mit uns fahren wird. Später wird ein Freund der Familie für 14 Tage mit seinen Kindern bei uns wohnen. Wahrscheinlich werden wir mit ihnen nach Frankreich fahren – nur wissen sie das noch nicht!

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