Bericht 80, März 2012

Roanne und Biel

Es scheint, dass nach der Winterpause, in welcher unsere Website sanft schlummerte, mit dem Erwachen des Frühlings nicht nur die Schiffersleut‘ unruhig werden, sondern auch die Schiffe. Anders ist es kaum zu erklären, dass wir gerade zweimal zu einem Schiffsumzug eingeladen waren.

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Beginnen wir mit der knapp 20 m langen Tjalk «La Cerise». Jean-Luc Chaize, dem in der Nähe von Roanne ein grösserer Schreinereibetrieb gehört, entdeckte vor drei Jahren in Paris eine ausgebrannte Tjalk, kaufte das hundertjährige Wrack und baute es in dreijähriger Arbeit wieder auf. Den Innenausbau und die Malerarbeiten besorgte er selbst, für den Stahlaufbau engagierte er einen Schweisser.

Am 15. März ist es nach drei Jahren Arbeit soweit: «La Cerise» wird auf einen Tiefladeanhänger gehoben und mit grösster Sorgfalt verzurrt.

Mit Polizeieskorte geht es über die kurvigen Strassen von St Cyr hinunter durch Le Coteau zum 10 km entfernten Roanne.

Der «Convoi exceptionnel» erregt einiges Aufsehen, bis er wohlbehalten den vorbereiteten Einwasserungsplatz am Canal de Roanne à Digoin, ein paar hundert Meter unterhalb der Hafenschleuse, erreicht.

Sorgfältig werden die beiden imposanten Autokräne wieder in Stellung gebracht. Damit sie die rund 35 Tonnen schwere Last nicht zu sehr ausschwenken müssen, manövrieren sie die Fahrzeuge so dicht wie nur irgendwie möglich an das Schiff auf dem Tiefladeanhänger.

Dann werden die Kranarme ausgefahren, und das Schiff wird sorgfältig Zentimeter um Zentimeter angehoben.

«Ich bin unglaublich aufgeregt!» lacht Jean-Luc, wie seine Tjalk behutsam ins Wasser gesenkt wird.

Endlich ist der grosse Moment gekommen: «La Cerise» schwimmt wieder in ihrem angestammten Element.

Das Schiff bleibt zur Sicherheit noch einige Zeit in den Krangurten, bis ganz sicher feststeht, dass der Rumpf dicht ist. Unsere holländischen Freunde, welche das Geschehen ebenfalls interessiert verfolgen, meinen gelassen: «Der Rumpf ist dicht. Holländisches Schiffsbau-Handwerk!» Da sie recht haben, werden wir um die Fotos einer langsam absaufenden Tjalk betrogen – aber das hätten wir nun Jean-Luc wirklich nicht gegönnt!

Nach einer knappen Stunde wird der Schiffsdiesel gestartet, «La Cerise» schleust in den Hafen und fährt majestätisch an den ihr zugewiesenen Liegeplatz.

Fotos Christian Huber und Joseph Niederberger

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Rund eine Woche später begleiten wir das Stäfner Ehepaar Maya und Stefan Reichling an den Bielersee. Dort liegt die MS Seeland, ein kürzlich ausser Dienst gestelltes Passagierschiff der Bielersee-Flotte.

Die MS Seeland wurde 1932 in der deutschen Bodan-Werft mit den Massen 27.5 m Länge und 4.8 m Breite gebaut. Mit einer Wasserverdrängung von 56.6 Tonnen (beladen) gehört sie schon zu den grösseren Kalibern.

Das Herz der MS Seeland ist ein Sechszylinder Detroit Dieselmotor mit 125 KW. Natürlich ist der Schiffsdiesel, wie übrigens das ganze Schiff, in perfektem Zustand – alles andere wäre erstaunlich, schliesslich wurde das Schiff von der Bielersee-Schifffahrtsgesellschaft unterhalten und gepflegt.

Maya und Stefan Reichling verliebten sich jedenfalls auf der Stelle in das schmucke Schiff mit den eleganten Linien und wurden nach den üblichen Verhandlungen stolze Eigner der MS Seeland.

Am 23. März ist es soweit: MS Seeland läuft unter Kapitän Lerch zu ihrer letzten Fahrt auf dem Bielersee aus. Die Reichlings wollen sie auf dem Landweg in den Rheinhafen Basel verfrachten. Von dort aus soll sie, sobald sie die notwendigen Papiere hat, auf dem Wasserweg nach Holland fahren, wo sie umgebaut wird.

In Thielle wird das Schiff ausgewassert – auch hier wieder Präzisionsarbeit vom Feinsten.

Der Transport über den Hauenstein ist, wie derjenige der «La Cerise» von St Cyr hinunter nach Roanne, Massarbeit. Aber alles geht gut und nach einem Tag und einer Nacht trifft MS Seeland in Basel ein, wo sie wieder ihrem angestammten Element übergeben wird.

Fotos Christian Huber und Maya Reichling

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Und Kinette? Hier herrscht das nackte Chaos. Während unseres Winteraufenthaltes in der Schweiz haben wir den im Vorschott untergebrachten Stauraum ausgeräumt, damit der Schreiner den ganzen Raum mit Glaswolle isolieren, mit Sperrholzplatten auskleiden und dann Gestelle einbauen kann.

Alles, was im Stauraum untergebracht war – Ersatzteile, Taue, Farbkübel, Werkzeug etc. – wird im Steuerhaus und in der Achterkajüte zwischengelagert.

Wie es dann aussehen wird, wenn wir an Ostern nach unserem Winter-Landurlaub in der Schweiz das Schiff wieder beziehen, wissen wir nicht. Wir können nur hoffen. In unserem nächsten Bericht werden wir Ihnen davon erzählen!

3 Gedanken zu „Bericht 80, März 2012

  1. Liebe Charlotte, lieber Christian,

    Ich habe zwei Mal ein Mail an die Eigner der ELIANE gesandt, um zu erfahren, ob sie die ehemalige GULF 4709 ist. Antwort habe ich keine bekommen.

    Vielleicht könnt Ihr einmal „stupfen“, wenn Ihr wieder in Roanne seid.

    Gruss aus dem kühlen Basel

    Peter

  2. Ahoi Kinette. Endlich läuft wieder was auf Eurer Homepage. Und dann auch gleich mit Superfotos von den Schiffstransporten. Gratuliere. Wir wünschen Euch eine super Saison 2012. Crew Sydney

  3. Bonjour Charlotte, Bonjour Christian,

    Toute l’équipe du canal de la Deûle à l’Escaut, se joint à moi pour vous remercier de votre article édité dans Blue Flag !
    C’est en accueillant le bateau anglais l’Herisson, que les propriétaires, Maggie et Stuart, m’ont dit qu’ils m’avaient reconnue..
    Maggie m’a alors tendu le magazine et j’ai découvert la merveilleuse double page sur l’Espierre et le canal de Roubaix.
    Cet article est un super coup de pouce pour nous et éveillera, j’en suis sure, la curiosité de nombreux bateaux.
    Terra incognita deviendra, je l’espère Terra famosa.
    Quoi qu’il en soit, nous vous remercions très chaleureusement et espérons vivement vous revoir.
    Qui sait, vous serez peut-être des nôtres en septembre…
    A très bientôt,
    très cordialement,

    Camille Longueval
    Chargée d’accueil
    Relais Nature du canal de la Deûle à l’Escaut
    03 20 63 11 39

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