Bericht 101, Mai 2014 – Teil 1

Teupitz – Berlin-Tempelhof

(Teupitzer Gewässer, Dahme-Wasserstrasse, Teltowkanal; 67 km; 1 Schleuse, 2 Hebebrücken)

Von Teupitz nach Himmelpfort

Von Teupitz nach Himmelpfort

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Unsere Winterpause, Sie haben das ja sicher bemerkt, war dieses Mal deutlich länger als auch schon. Die ersten Jahre haben wir ja beinahe durchgehend auf dem Schiff verbracht, jeweils mit Ausnahme von Weihnachten und Neujahr. Den Winter 2009/2010 verbrachten wir im holländischen Gorinchem ganz auf dem Schiff, eine Zeitlang sogar im Eis eingeschlossen.

Im Winterschlaf südöstlich von Berlin

Im Winterschlaf südöstlich von Berlin

Warum die ungewohnt lange Winterpause? Im Januar 2011 wurden wir zum ersten Mal Grosseltern, im Februar 2014 zum zweiten und anfangs Mai 2014 zum dritten Mal. Das hat unser Leben insofern geändert, als wir die Winterpause ausgedehnt haben, um uns unseren Enkelkindern zu widmen. Die beiden «2014er» hatten natürlich noch nicht viel davon, dafür umso mehr die dreijährige Enkelin. Wir hätten sie am liebsten aufs Schiff mitgenommen. Aber wir haben diesen Lebensstil vor bald zehn Jahren so gewählt, wir wollen ihn einstweilen nicht ändern und die längere Winterpause ist ein Kompromiss.

Abreise aus der Schweiz

Abreise aus der Schweiz

Unsere Abreise aus der Schweiz wurde für ein Seniorenmagazin fotografisch dokumentiert, «Senioren auf Reisen» oder so ähnlich wird die Serie heissen. Dabei fühlen wir uns überhaupt noch nicht als Senioren…

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«Kinette» verbrachte den Winter südöstlich von Berlin, neben der Segeltjalk «Siet op u Selven». Diese war auf unserer Homepage zum Verkauf ausgeschrieben und ist im Winter verkauft worden. «Kinette» dümpelt also bei unserer Rückkehr mutterseelenallein vor sich hin.

«Kinette» wird aus dem Winterschlaf geweckt

«Kinette» wird aus dem Winterschlaf geweckt

Ein erster Augenschein ergibt: «Kinette» ist heil und unversehrt. Zuallererst bunkern wir 1000 Liter Wasser. Bei der Kontrolle im Maschinenraum stellt Christian fest, dass es bei der Wasserpumpe etwas tröpfelt. Im Nachhinein betrachtet, hätte er zwei Möglichkeiten gehabt: Die Schlauchbride nachziehen oder das Schlauchanschlussstück aus der Pumpe ziehen und den O-Ring nachfetten. Die erste Variante wäre die einfachere und auch die richtige gewesen. Die zweite war eindeutig die Falsche. Obwohl Christian die Wasserpumpe abstellt und alle Zufuhrventile schliesst, ergiesst sich doch noch Wasser aus dem Schlauch. Christian trocknet alles brav auf, fettet den O-Ring und steckt das Anschlussstück wieder in die Pumpe. Pumpe angestellt – aber nichts geht mehr. Sicherungen kontrollieren, Verbindungen kontrollieren – alles Fehlanzeige.

Die falsche Variante

Die falsche Variante

Also füllen wir alle Eimer und Flaschen mit dem Trinkwasser vom Wasseranschluss unseres Winterliegeplatzes und geniessen fröhliches Alphüttenleben, bis wir dann am Mittwoch auslaufen.

Der ganz grosse Lichtblick ist, dass der Schiffsdiesel nach 6 Monaten Winterschlaf beim Drehen des Zündschlüssels anspringt, wie wenn wir ihn erst gestern abgestellt hätten. Es geht nichts über solide Motorentechnik, ohne Turbo, ohne Elektronik und sonstigen Schnickschnack.

Die Fahrt nach Berlin-Tempelhof ist herrlich. Endlich wieder fahren! Die kleine Köriser Hebebrücke wird pünktlich um 08:00 Uhr bedient und der Schleusenwärter in Königs-Wusterhausen hat uns schon von weitem gesehen, wir können ohne Wartezeit in die gefüllte Schleuse einfahren.

Der Hafen Berlin-Tempelhof

Der Hafen Berlin-Tempelhof

So schaffen wir die 67 Kilometer vom Winterliegeplatz nach Berlin-Tempelhof in knapp sieben Stunden. Auf der Dahme-Wasserstrasse und der Spree-Oder-Wasserstrasse lassen wir den Schiffsdiesel zwei Stunden lang mit 1500 U/min drehen, das ergibt 600 U/min auf der Welle. Die Stopfbuchse, die uns letztes Jahr so viel Kummer bereitet hatte, wird gerade mal handwarm. Da hat die Werft in Genthin gute Arbeit geleistet.

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In Berlin-Tempelhof hat uns der Hafenmeister den einzigen langen Liegeplatz reserviert. Gegen das Hafenmeisterschiff zu liegt noch eine Schweizer Yacht, die gepflegte «Moule» von Jürg und Margrith Haupt, aber wir können problemlos einparken. Später kommt dann noch die «Tasman», eine hübsche Linssen Dutch Sturdy 380, von Geri und Catherine Giger dazu. Eine kleine Schweizerkolonie also. Wo drei Schweizer zusammen sind, gründen sie einen Verein. Das ist hier nicht nötig, wir sind bereits alle im Schweizerischen Schleusenschifferklub (SSK-CSE).

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Von Geri Giger haben wir übrigens den Hinweis auf den «Weinheuer» erhalten. Eine grosse Lagerhalle mit einer Auswahl von über 1’000 Weinen aus aller Welt. Das Ganze in 10 Minuten Fahrraddistanz vom Tempelhofer Hafen an der Eresburgstrasse 24-29 (www.weinheuer.de). Unser Einkauf, den wir nach ausgedehnter Degustation tätigen, wird franko Hafen geliefert. Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Wein – das haben wir in Frankreich gelernt – degustiert man am besten morgens, mit der Nase und im Mund, aber ohne zu trinken.

Der Weinkeller des Schiffs ist wieder gefüllt

Der Weinkeller des Schiffs ist wieder gefüllt

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Die «Moule» von Jürg und Margrith Haupt

Die «Moule» von Jürg und Margrith Haupt

Nachdem wir unser Schiff vertäut und die hafenmeisterlichen Liegegebührenverhandlungen und -formalitäten absolviert haben, stecken wir das Landstromkabel in die Säule am Steg ein. Der Erfolg ist insofern durchschlagend, als es die Hauptsicherung des Hafens herausknallt und der gesamte Hafen ohne Strom ist. Der Haustechniker des Einkaufszentrums rückt an und macht die Hauptsicherung wieder scharf.

Unser Alphüttenleben wird damit massiv bereichert, denn nun haben wir nicht nur kein fliessendes Wasser, sondern auch keinen Strom. Beides ist nicht weiter schlimm, denn wir sind mit vollen Akkus eingelaufen (das heisst bei «Kinette» fünf Tage Autonomie bei vollem Betrieb aller Geräte) und im Hafen hat es nicht nur Wasser, sondern sogar eine Dusche.

«Unser Bordelektriker» aus Holland kommt an Bord

«Unser Bordelektriker» aus Holland kommt an Bord

Wir machen uns aber schon deswegen keinen Kopf, weil auf den folgenden Tag, also den Donnerstag, «unser Bordelektriker», Daniël Heuvelman aus Meerkerk, angesagt ist. Wir hatten schon im Herbst vereinbart, dass er nach Berlin kommen würde, um unsere 12 Volt-Haushaltakkus vom Strom zu nehmen, die 12 Volt-Verbraucher wie Kühlschränke, Wasser-, Deckwasch- und Duschepumpen mit der (überdimensionierten) 24 Volt-Akkubank via Umformer zu versorgen und gleichzeitig den Solarzellenstrom auf die 24 Volt- anstatt wie bisher auf die 12 Volt-Bank zu leiten.

Der Schiffselektriker an der Arbeit

Der Schiffselektriker an der Arbeit

Wir hatten bisher einen (billigen) Solarladeregler von CONRAD, der irgendwann im letzten Sommer ausstieg (was man natürlich nicht bemerkt). Bei vollem Sonnenschein (Solarzellen) und voller Fahrt (Alternator) wurden unsere 12 Volt-Akkus deswegen richtiggehend gekocht und gaben im letzten Herbst folgerichtig den Geist auf.

Der Hafen Berlin Tempelhof anno dazumal

Der Hafen Berlin Tempelhof anno dazumal

Am Donnerstagabend dann taucht Daniël als rettender Engel mit Freundin Marisca auf. Die Wasserpumpe läuft nach einer Viertelstunde wieder (das kleine Verteilerkästchen neben der Pumpe hatte beim O-Ring-Fetten eine Dusche bekommen) und, nachdem Daniël unsere Landstromsteckdose neu verdrahtet hat, sind wir auch hier wieder operationell.

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Am folgenden Vormittag dann der Umbau des Haushaltsstrom-Systems samt Testlauf. Am Nachmittag kehren Daniël und Marisca wieder nach Holland zurück. Er ist dort mit dem Aufbau der Elektrik in einem Neubauschiff für Aserbeidschan beschäftigt und der Abliefertermin sitzt ihm im Nacken.

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Wir bleiben in Berlin-Tempelhof bis am 23. Mai. Am 21. und 22. Mai hat Christian Termine beim Arbeitsmedizinischen Dienst sowie beim Wasser- und Schifffahrtsamt. Wir wollen auf der Elbe bis Hamburg fahren können, dafür benötigt man eine bestandene Streckenkundeprüfung, für die Prüfung benötigt man einen Streckenkundenachweis (vier Mal unter Aufsicht zu Berg und vier Mal zu Tal fahren), für den Eintrag der Streckenkundeprüfung benötigt man ein Schifferdienstbuch, um ein solches beantragen zu können, benötigt man eine medizinische Tauglichkeitsbescheinigung und dafür benötigt man eine amtsärztliche Tauglichkeitsuntersuchung. Für einen Skipper schlichten Gemütes schon eine beeindruckende Bürokratie… Aber wir haben uns von bürokratischen Hürden noch nie wirklich abhalten lassen. Unvergessen bleibt uns der dreitägige Hürdenlauf von Amt zu Amt in Amsterdam, bis wir der Gnade zuteil wurden, ein niederländisches Bankkonto eröffnen zu dürfen. Da ist der Erwerb eines Schifferdienstbuches geradezu ein Zuckerschlecken!

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Die UFA-Kulturfabrik

Die UFA-Kulturfabrik

Ganz in der Nähe des Tempelhofer Hafens befindet sich die UFA-Fabrik, in welcher bis 1964 Spielfilme kopiert wurden. Dann stand sie leer, bis das Gelände 1979 von einem alternativen Öko-Kollektiv «übernommen» wurde. Heute gibt es hier mehr als zwölf verschiedene Organisationen, vom gemeinnützigen Verein bis zur GmbH, vom der freien Schule über die Holzofenbäckerei, den Kinderbauernhof und das Gästehaus bis zum Naturkostladen. Auch ein moderner Theatersaal entstand. Wir besuchten eine Vorstellung des thüringischen Kabarettisten FiL, der in einem zweistündigen Solo-Programm Nichts und Niemanden verschonte, weder Veganer noch Lesben. Wir haben schon lange nicht mehr so gelacht!

Die UFA-Kulturfabrik

Die UFA-Kulturfabrik

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Während wir ein paar Tage im Tempelhofer Hafen liegen und uns Berlin hereinziehen, besucht uns Klaus-Dieter Heinken, ein Berliner Lions-Kollege. Er lädt uns zu einer Rundfahrt mit seiner 14-Meter Motor-Tjalk im Gebiet des Wannsees ein.

Mit Klaus-Dieter Heinken auf dem Wannsee

Mit Klaus-Dieter Heinken auf dem Wannsee

Bei schönstem Wetter fahren wir mit Klaus-Dieter und seiner Frau Anke vom Wannsee aus an der Pfaueninsel vorbei, über den Jungfernsee zur Glienicker Lake, über den Griebnitzsee in den Griebnitzkanal und dann über den Stölpchensee, den Pohlesee in den Kleinen Wannsee und von diesem zurück in den Grossen Wannsee.

Anke Heinken und Charlotte

Anke Heinken und Charlotte

Wir zählen diese Gewässer nicht etwa deshalb so liebevoll auf, weil wir annehmen, Sie könnten unsere Rundfahrt jetzt exakt nachvollziehen. Aber die Aufzählung vermittelt einen Eindruck, mit welchem Wassersportparadies die Berliner gesegnet sind.

Villa am Wannsee

Villa am Wannsee

Die Ufer des Wannsees sind gesäumt mit prachtvollen alten Villen, eine architektonische Augenweide nach der anderen.

Villa am Wannsee

Villa am Wannsee

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Im Fisch-Schiff

Im Fisch-Schiff

Im Tempelhofer Hafen liegt übrigens seit einiger Zeit ein zum Fischrestaurant umgebauter alter Nordsee-Krabbenkutter. Der türkische Wirt und Koch Hayri (klingt für Schweizer wie «Heiri», der schweizerische Heinrich) ist nicht nur ein freundlicher Gastgeber, sondern auch ein guter Fischkoch.

Hayri in seiner Schiffs-Küche

Hayri in seiner Schiffs-Küche

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Aus dem Logbuch

  • Berlin-Tempelhof. Yachthafen am Teltow-Kanal mit Elektrisch (16 Ampère), Wasser, Toiletten und Duschen. Kostenpflichtig. Direkt hinter dem Hafen grosses Einkaufszentrum mit EDEKA, Reformhaus, Media-Markt etc. Nähe Bus und U-Bahnstation (Ullsteinstrasse). Kann an schönen Sommerwochenenden vom gegenüberliegenden Eventlokal lärmig sein. Sonst ruhig und sicher (Security).

Ein Gedanke zu „Bericht 101, Mai 2014 – Teil 1

  1. Hallo liebe Hubers, nach längerer „Babypause“ haben wir soeben den neuen Bericht von der Kinette gelesen.
    Wir möchten 2015 über Berlin in Deutschlands „wilden Osten“.
    Zur Zeit liegen wir mit der Omega in Wessem/NL (gegenüber von Maasbracht).
    Allen einen schönen Sommer
    U. und H. Erkens/MS Omega

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