Bericht 81, Vorgehen bei Pannen

Vorgehen bei ernsthaften Pannen am Beispiel eines defekten Pulleys

Christian ist nach unserer Ankunft in Paray noch einmal gründlich der Ursache des Geräusches nachgegangen, das er im Bereich der insgesamt fünf Keilriemen gehört haben will. Er wird bald einmal fündig: Einer der beiden Pulleys, welche direkt auf der Kurbelwelle vor dem Motorblock sitzen und über welche die Keilriemen zum Antrieb von Alternatoren, Wasserpumpen etc. laufen, hat ganz wenig Spiel. Von unserem Freund Armin (das ist der, welcher uns nach Roanne fuhr), einem gelernten Lastwagenmechaniker, erhalten wir den Hinweis, dass durch die Unwucht der kleine Keil, welcher den Pulley auf der Kurbelwelle fixiert, abscheren könnte. Dann dreht der Pulley nicht mehr, die Wasserpumpe wird nicht mehr angetrieben und der Motor läuft heiss. Ferner können die Lager der Kurbelwelle durch die Vibrationen Schaden nehmen. Armin rät uns zur sofortigen Reparatur.

Einer der Pulleys hat Spiel

Einer der Pulleys hat Spiel

Wie geht man in einer solchen oder einer vergleichbaren Situation vor? Eine wichtige Rolle spielt natürlich, in welchem Land Sie eine Panne haben. In den Niederlanden finden Sie praktisch überall in der Nähe einen auf die Schifffahrt spezialisierten Betrieb. In Frankreich, in welchem sich die Binnenschifffahrt in einem unaufhaltsamen Niedergang befindet, ist die Situation wesentlich herausfordernder. Wir haben in unserem speziellen Fall vier Optionen:

  • Option eins ist eine örtliche Lastwagengarage oder ein Landmaschinen-Reparaturbetrieb. Die Adresse vermittelt Ihnen ein Schleusenwärter oder der Hafenmeister. Vorteil: Der Mann versteht wirklich etwas von Motoren und er hat Zugriff auf Ersatzteile. Nachteil eins: Der Mann versteht nichts von Schiffsmotoren. Nachteil zwei: Lastwagenmechaniker reparieren je länger je weniger, sie tauschen nur noch Teile aus. Landmaschinenmechaniker sind zur Zeit noch eher «richtige» Mechaniker.
  • Option zwei ist einer jener Pannenhelfer, welche von Hotelboot-Kapitänen im Pannenfall beigezogen werden. Die Adresse erhalten Sie von Hotelbootskippern. Vergewissern Sie sich, dass der Mann etwas von Motoren (oder Elektrik) versteht und nicht nur von verstopften Toiletten.
  • Option drei ist ein Schifferkollege, der sich berufsmässig mit Motoren und ihrer Peripherie auskennt. Erfahrungsgemäss findet sich meistens jemand, der am gleichen Platz liegt wie Sie, der fachkundig ist. Ob es sich um einen blossen Chlütteri handelt oder um einen ernsthaften Fachmann, finden Sie relativ schnell heraus.

Die erste Frage, die man klären muss, ist ob ein Originalteil des Motors defekt ist oder ob es sich um das Teil eines Fremdherstellers handelt, welches im Rahmen der Marinisierung des Motors verwendet wurde. Die meisten Schiffsmotoren sind von ihrer Herkunft her Lastwagen-oder Landmaschinen-Motoren, welche nachträglich marinisiert wurden. Die Marinisierung betrifft zumeist den externen Kühlkreislauf sowie das angeflanschte Getriebe. Schiffe haben nicht dasselbe Getriebe wie ein Strassenfahrzeug, sondern ein relativ einfaches Getriebe: Vorwärts, Rückwärts, Leerlauf – aber keine Gänge.

Die Identifikation des defekten Teils ist wichtig, wenn es um die Ersatzteilbeschaffung geht: Entweder von der Markenvertretung oder vom Ersatzteilspezialist.

Die Identifikation des defekten Teils ist wichtig

Die Identifikation des defekten Teils ist wichtig

Bei einer Panne des elektrischen Systems, kommt es darauf an, welcher der Stromkreisläufe betroffen ist. Wenn die Panne im 12- oder 24-Volt-System sitzt, hilft Ihnen der örtliche Elektriker nichts. Er kann nur 240 Volt. Ein Fahrzeugelektriker, vorzugsweise aus einem Lastwagenreparaturbetrieb, ist Ihr Mann.

In unserem Fall ergibt sich folgendes: Der Pulley ist mit einem quadratischen Keil von 10 x 10 mm auf der Wellenverlängerung fixiert. Dieser Keil ist stark abgenützt und auch die Innennut des Pulleys ist auf der einen Seite auf 12 mm ausgeweitet, am anderen Ende ist sie noch 10 mm.

Dieser Stahlkeil war einst quadratisch...

Dieser Stahlkeil war einst quadratisch…

Zufälligerweise kennen wir in dieser Gegend einen Schiffsmechaniker, der Pannendienst macht. Mit ihm zusammen bauen wir den Pulley aus. Von jetzt an fahren wir auf zwei Schienen. Der Mechaniker macht einen neuen, zu diesem Pulley passenden Keil und wir versuchen von unserem Liegeplatz in einem kleinen französischen Dorf aus, in Holland einen Ersatzpulley mit Keil aufzutreiben. Letzteres erweist sich trotz grosser Hilfsbereitschaft des holländischen Schiffs-Motorenspezialisten Martin de Jong in Hardinxveld-Giessendam als aussichtslos.

Neu gefräste Nut mit neuem Keil (linke Pulley-Seite)

Neu gefräste Nut mit neuem Keil (linke Pulley-Seite)

Mittlerweile ist es aber unserem Schiffsmechaniker gelungen, in einem mechanischen Betrieb in der Gegend eine neue Nut in den Pulley fräsen und einen neuen Keil machen zu lassen. Die Herausforderung war, überhaupt eine mechanische Werkstatt zu finden, welche noch über die alten, nicht computergesteuerten Maschinen verfügt, mit welchen man Einzelstücke bearbeiten kann. Das ist ihm, dank intimer Kenntnis dieser Gegend, gelungen.

Die Hauptarbeit bei dieser ganzen Übung war, beiläufig bemerkt, gar nicht die Demontage, Reparatur und Wiedermontage des Pulleys, sondern die Demontage und Wiedermontage des Generators, welcher direkt vor dem Hauptmotor sitzt und zwar so nahe, dass man den Pulley ohne Demontage des Generators gar nicht hätte entfernen können. Aber dass es in Maschinenräumen von Schiffen in der Regel eng zu und her geht, ist eine Binsenweisheit!

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