Die korrekte Flaggenführung – eine endlose Diskussion

Liebe Hubers

Im letzten Schleusen­schiffer­heftli ist ein Artikel über die korrekte Beflaggung. Ich war bisher immer der Meinung, dass Schweizer Eigner auch die Schweizer Flagge fahren dürfen, wenn ihr Schiff in einem anderen Land (z.B. Nieder­lande) registriert ist. Der besagte Artikel ist da anderer Meinung.
Danke im Voraus für Eure Antwort und danke auch für Eure super­tollen Artikel.

Susi


Die ausführliche Stellungnahme von Christian Huber zum kritisierten Artikel im «Schleusenschiffer 4/2017» erschien im «Schleusenschiffer 1/2018». Sie finden diese ausführliche Stellungnahme hier.

Liebe Susi

Herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Ich habe den Artikel im Schleusen­schiffer auch gelesen. Leider ist er nach meinem Dafür­halten ungenau und verwirrend. Der Autor stützt sich auf das See­rechts­über­ein­kommen (SRÜ) der Vereinten Nationen und wendet dies auf Schweizer Eigner an, die ihr Schiff, wie er schreibt, «in Holland re­gis­trie­ren und dann die Schwei­ze­rische Flagge führen». Nun ist zwar das See­rechts­über­ein­kommen ein in­te­res­san­tes Regel­werk, befasst es sich doch unter anderem mit See­räuberei und dem Trans­port von Sklaven. Aber es gilt aus­drück­lich nur auf Hoher See und ist daher für schweize­rische Eigner von in Holland stationierten Yachten etwa so aktuell wie ein Unter­stüt­zungs­bei­trag für nieder­ländi­sche La­wi­nen­ver­bau­ungen. Yachten in der üblichen Grösse*, die nicht schneller als 20 km/h fahren, müssen in den Nieder­landen gar nicht re­gi­striert werden. Für sie gilt die Regel im «Water­almanak» Band I, wonach die Flagge der Yacht der Na­tio­na­li­tät des Eigners folgt: «De vlag van het yacht volgt de nationaliteit van de eigenaar». Warum der Autor des Artikels im «Schleusen­schiffer» diese Regel nicht einmal erwähnt, weiss ich nicht. Jeden­falls kann man sich als schwei­ze­ri­scher Eigner einer Yacht, die in den Nieder­landen sta­tio­niert ist, getrost darauf berufen und fröhlich die Schweizer­flagge am Heck flattern lassen, auch wenn als Heimat­hafen des Schiffs «Sneek» oder sonst ein schöner, meistens friesischer Ort angeschrieben ist. In der Praxis, im wirklichen Leben – also auf dem Wasser – kümmert sich ohnehin niemand darum, welche Flagge am Heck einer Yacht flattert, solange es nicht eine Piratenflagge ist.

In Deutschland verhält es sich übrigens anders, dort müssen auch kleine Schiffe registriert sein und ebenfalls etwas anderes gilt in den Nieder­landen für Schiffe, welche im sog. Kadaster registriert sind oder registriert sein müssen.

Bei Ausländern ist der Heimat­hafen (der Ausdruck «Registerhafen» ist veraltet) meist der Sitz des Maklers, über den sie das Schiff gekauft haben.

* «Übliche Grösse» ist bewusst ungenau formuliert, weil es in den Niederlanden zur Registrierungspflicht verschiedene, nicht übereinstimmende Rechtsquellen gibt. Der Dienst Wegverkeer (RDW), welcher hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, sieht eine Registrierungspflicht bei Binnenschiffen über 20 Meter Länge vor.  Das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch Buch 8 (Burgerlijk Wetboek Boek 8) nennt in Artikel 785 Ziffer 2 Buchstabe b eine theoretische Wasserverdrängung von 10 Kubikmeter als Grenze. Diese theoretische Wasserverdrängung wird ziemlich kompliziert berechnet. Vereinfacht umschrieben, entspricht die theoretische Wasserverdrängung dem Ladevermögen einer Yacht an Treibstoff, Trinkwasser, Ballast, Vorräten und Hausrat. Pro Schlafstelle werden noch 100 kg dazugerechnet. Überschreitet dieses Ladevermögen 10 Tonnen, ist Registerpflicht gegeben. Nur: Das prüft niemand nach.

7 Gedanken zu „Die korrekte Flaggenführung – eine endlose Diskussion

  1. Lieber Christian Huber,
    vielen Dank für den „befreienden“ Artikel im Schleusenschiffer. Lieber praxisbezogen, keine Paragraphenreiterei – dem kann ich nur zustimmen. Wir fahren nunmehr seit zehn Jahren mit unserer (freiwillig) in Loosdrecht registrierten WERD durch Frankreich, Belgien, Deutschland und die Niederlande und führen mittlerweile zwei Flaggenstöcke im Schiff mit: Je einen mit Niederländischer und einen mit Schweizer Flagge bestückten. In den Niederlanden und in Belgien setzen wir grundsätzlich die Schweizerflagge und vermeiden so, dass Schleusen- und Brückenwärter oder Hafenmeister nicht nachvollziehen können, wieso wir kaum niederländisch oder flämisch verstehen und sprechen. Wenn wir ihnen dann Deutsch, Französisch oder Englisch als Verständigung anbieten, bereitet das für sie kaum Probleme und ist auch nachvollziehbar – also ein reiner Praxisentscheid, welche Flagge mehr Sinn macht.

  2. Gratuliere Dir zu Deinem Artikel über die Flaggenführung im „Schleusenschiffer“ 1/2018. Wie immer fundiert erklärt. Da mir die ewigen und rechthaberischen Diskussionen über die Flaggenführung seit Beginn meiner Schifferkarriere auf den Deckel gehen, habe ich bei Deinem letzten Satz wieder einmal herzhaft gelacht: „Und jetzt ganz unter uns: Welche Nationalflagge eine ordnungsgemäss ausgerüstete und nach den Regeln guter Seemannschaft geführte Yacht führt, interessiert in der Realität, im wirklichen Leben – nämlich auf dem Wasser – niemanden auch nur im Geringsten“.
    Es liebs Grüessli vom Bodesee, au a d’Charlotte. Fredy

  3. Lieber Christian
    Danke für Ihren ausführlichen Artikel über die Flaggenführung. Leider ist das in meinem Fall nicht ganz klar. Ich habe im 2001 bei De Boarnstream eine Motorjacht bauen lassen. Damit bei einem evt. Konkurs der Werft mein Schiff nicht in die Konkursmasse fällt habe ich schon das Kasko im Kadaster in Amsterdam registrieren lassen. Nun liegt meine Jacht seit 3 Jahren in Friesland (vorher in Frankreich). Darf ich nun trotzdem die Schweizerflagge fahren oder muss ich die Niederländische Flagge führen weil mein Schiff im NL Kadaster eingetragen ist ?
    Ich lese gerne auf Ihrer Webseite und habe schon unzählige gute Tipps mitbekommen die mir sehr geholfen haben.
    Freundliche Grüsse
    André Lauper

    • Lieber André

      Ihre Motoraycht ist, ohne registerpflichtig zu sein, im Schiffskataster eingetragen. Rechtlich bedeutet das nach meinem Dafürhalten, dass Sie die niederländische Flagge führen müssen. Dieses „müssen“ wird aber, wie ich am Schluss meines Artikels geschrieben habe, in der Praxis locker gehandhabt. Mir sind auch keine Konsequenzen wie Busse, Kürzung von Versicherungsleistungen oder ähnliches bekannt, die es haben könnte, wenn Sie weiterhin die schweizerische Flagge führen. Das Führen der schweizerischen Flagge hat durchaus auch praktische Gründe: Es ist sofort ersichtlich, dass Sie Schweizer sind und Sie werden nicht automatisch auf Niederländisch angesprochen. In unserem Fall ist ist dies kein Thema, da ich mit Niederländisch aufgewachsen bin.
      Mit freundlichen Grüssen
      Christian Huber

  4. Lieber Christian
    Auch von meiner Seite herzlichen Dank für die – einmal mehr – fundierten Infos, insbesondere in diesem Fall, für den Einblick in die Tiefen der Niederländischen Gesetzgebung.

    Die Flaggenführung ist ein Dauerbrenner und wird es wohl auch bleiben. Dein ungezwungener Umgang damit (insbesondere als Jurist) ist äusserst erfrischend! Gefeliciteerd!

    Ich (Schweizer mit Wohnsitz in CH, Yacht in NL gekauft, MWST bezahlt, nicht registriert) ‚operiere‘ auch mit zwei Flaggen. Binnen, Benelux mit CH-Flagge, ansonsten NL. Besonders bei Seeschleusen oder Ports of entry, wenn man Offshore geht oder war, empfehle ich die NL-Flagge, weil man sonst garantiert in Null Komma Nichts, den Zoll an Bord hat – und das kann dauern… (MWST Nachweis, Dieseltest, Schalennummer, Dokumente, etc.)

    Zum Thema CvO:
    Die 100 Kubikmeter werden in der Praxis (so mein Kenntnisstand) folgendermassen angewendet: Gemessen wird die Rumpflänge (ohne Badeplattform) die Breite ohne Wieling oder Scheuerleisten etc. und der Tiefgang ohne Kiel. Das führt dazu, dass z. B. eine Linssen 500 mit langer Badeplattform (15.75×4.88×1.35m) nicht 103.8 Kubikmeter misst, sondern zur Anwendung kommen die Werte (14.98×4,68×1.1m) was dann einen Wert von 77.1 Kubikmeter ergibt.

    Allzeit gute Fahrt,
    Peter

    Peter M. Weingärtner, Yachtmaster Offshore, RYA/MCA

  5. Lieber Christian
    Deine Flaggen-Erklärungen sind interessant. Es ist jedoch so, dass seit 1.1.2017 ein neues Flaggengesetz gilt und darin ist klar definiert dass die Schweizerflagge
    Quadratisch ist. Dies war vorher nicht klar geregelt. Ausnahmen sind nur noch die Hochseeschiffe.
    Liebe Grüsse
    Roland

    • Lieber Roland,
      Du meinst mit „Flaggengesetz“ das schweizerische Wappenschutzgesetz, das in der Tat die Schweizerflagge als quadratisch definiert. Sein Geltungsbereich ist die Schweiz. Die rechteckige Schweizerflagge wird im schweizerischen Seeschifffahrtsgesetz geregelt, das nur auf hoher See gilt. Ich sehe im Moment nicht, warum eine schweizerische Yacht in den Niederlanden nicht auch eine rechteckige Flagge führen sollte, auch wenn dies in der Praxis kaum oder gar nicht vorkommt und auch niemanden ernsthaft interessiert.
      Mit fröhlichen Schiffersgrüssen
      Christian

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