Bericht 21, Oktober 2006

Paray-le-Monial (Canal du Centre) – Digoin (Canal latéral à la Loire) – Decize – Digoin – Roanne

Paray-le-Monial eignet sich gut als Ausgangspunkt für Velotouren zur Erkundung der Umgebung. In einer Stunde ist man in Digoin, wo eine 243 m lange Kanalbrücke über die Loire führt. Sie wurde 1834 bis 1838 erbaut und ist zu den schönsten Kanalbrücken Frankreichs. Weiterlesen

Bericht 20, September 2006

St-Symphorien (Saône/Canal du Rhone au Rhin) – Chalons-sur-Saône (Saône) – Louhans (La Seille) – Paray-le-Monial (Canal du Centre)

Das Wetter Ende August und anfangs September ist sehr beständig: Es regnet still vor sich hin. Tag für Tag.

Der aktuelle Wetterbericht im August

Der aktuelle Wetterbericht im August

Wir mögen nicht in die üblichen Klagen über das Regenwetter einstimmen, denn schliesslich gibt es ohne Wasser keine Wasserstrassen. Dabei sind nicht einmal die Flüsse das Problem, sondern die Kanäle mit einer Scheitelhaltung. Viele Kanäle überwinden eine Wasserscheide und von dieser Höhe aus müssen sie nach beiden Seiten alimentiert werden. Das geschieht meist mit riesigen Speicherbecken, die, wie die schweizerischen Stauseen, gefüllt sein müssen. Der Canal du Centre beispielsweise ist sehr anfällig auf Wassermangel. Sein höchster Punkt ist die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik. Nach dem trockenen und heissen Sommer 2003 wurde er bereits im Oktober wegen Wassermangels geschlossen.

Wir verinnerlichen dieses Wissen und beginnen, den Regen geradezu zu geniessen.

Kaum aber haben wir uns an diesen Genuss gewöhnt, beginnt der Barometer wieder kräftig zu steigen und, rechtzeitig mit der Ankunft unserer Freunde Ruth und Peter, die uns während einer Woche begleiten werden, kehrt der Sommer zurück. Am nicht allzu frühen Morgen des 31. August schleusen wir von St-Symphorien auf die Saône hinaus und legen wenig später am Quai von St-Jean-de-Losne an, nachdem wir beim Bunkerschiff noch aufgetankt haben. Das Glück ist uns hold und wir finden an diesem begehrten Quai einen Liegeplatz.

Am Quai von St-Jean-de-Losne

Am Quai von St-Jean-de-Losne

In St-Jean-de-Losne hat die bekannte Bootsvermietungsfirma Crown Blue Line eine Niederlassung und wegen der relativ geringen Distanz zur Schweiz trifft man allenthalben auf Miteidgenossen. Hinzu kommt, dass man von hier aus die Qual der Wahl hat: Auf dem Canal de Bourgogne nordwestlich Richtung Dijon, auf der Saône südwärts Richtung Mâcon, nordwärts Richtung Auxonne und Gray oder auf dem Doubs nach Osten Richtung Dole, Besançon und Montbéliard.

Da unsere Freunde bereits um die Mittagszeit in St-Jean-de-Losne eintreffen, fahren wir mit ihnen auf der Saône ein Stück weit hinauf und gegen Abend wieder zurück. Natürlich ist unser Liegeplatz mittlerweile anderweitig besetzt, aber über Funk haben wir uns bereits vom Skipper der holländischen «Linquenda» die Zusicherung eingeholt, dass wir bei ihm längsseits anlegen können.

Peter und seine Frau Erika laden uns und unsere Freunde zum Apéritiv auf dem Deck der «Linquenda» ein. Christian, der anscheinend am Abend zuvor irgendetwas Mittelprächtiges gegessen hat, liegt derweil in seiner Kajüte, von Magenkrämpfen geschüttelt. Der Notfallarzt attestiert ihm reelle Überlebenschancen und in der Tat erscheint am nächsten Tag ein ausgehungerter und ausgetrockneter Kapitän am Frühstückstisch, wo ihm liebevoll Zwieback und Tee serviert wird.

Die «Linquenda» von Peter und Erika van Reenen aus Utrecht

Die «Linquenda» von Peter und Erika van Reenen aus Utrecht

Er ist jedenfalls wieder soweit bei Kräften, dass wir auf der Saône nach Seurre fahren können. Während wir in den Kanälen mit 6–8 km/h fahren müssen, um die Böschungen zu schonen, können wir, jauchzend vor Freude, auf der breiten Saône unbeschwert mit «full speed» und schäumender Bugwelle fahren. Nach rund zweieinhalb Stunden legen wir in Seurre am Ponton an.

Unsere Gäste Ruth und Peter benützen die Fahrt auf der Saône für eine Fotosession

Unsere Gäste Ruth und Peter benützen die Fahrt auf der Saône für eine Fotosession

Der Ponton von Seurre ist ja eigentlich für kleine Jachten bis 15 m gedacht, aber der Hafenmeister drückt ein Auge zu mit dem Hinweis, das hätten wir der Schweizerflagge am Heck zu verdanken. Holländer und Engländer kämen ihm nicht an diesen Ponton, erklärt er entschieden. Wir haben das schon mehrfach in Frankreich gehört. Die Holländer – so wird das hier verallgemeinert – sind nicht sehr beliebt, weil sie alles umsonst haben wollen und die Engländer, weil sie sich immer noch wie Kolonialherren aufführen, welche die Franzosen als Eingeborene von oben herab behandeln.

Am Jachtponton von Seurre

Am Jachtponton von Seurre

Am nächsten Tag erscheint übrigens derselbe Hafenmeister wieder am Ponton und erklärt: «Je sais maintenant qui vous êtes! Vous êtes l’ancien ministre des finances du Canton de Zurich!» Es stellt sich heraus, dass ein durchfahrender schweizerischer Schiffsbesitzer unser Inkognito gelüftet hat.

Der Hafenmeister von Seurre – immer zu einem Spass aufgelegt

Der Hafenmeister von Seurre – immer zu einem Spass aufgelegt

Seurre ist ein hübsches Städtchen mit einer bemerkenswerten Kirche, der Eglise Saint-Martin. Wie wir eintreten, spielt ein alter Mann am Harmonium das Ave Maria und begleitet sich selbst dabei auf der Flöte. Der 86jährige René Vila ist der geborene Erzähler. Wenn er die Geschichte der Kirche erzählt, spürt man ein inneres Feuer und seine Augen beginnen zu leuchten. Seine eigene Biographie ist nicht minder spannend: Geboren 1920 in Alger, übersiedelt nach Frankreich, Mechanikerlehre, Eintritt in die Armee mit 19 Jahren, Untertauchen im Widerstand, Anstellung bei den SNCF, den französischen Staatsbahnen – und das alles, wie er betont, «immer mit der Trompete in der Hand».

René Vila, ein geborener Erzähler

René Vila, ein geborener Erzähler

In Seurre fliessen «alte» und «neue» Saône zusammen. Die alte Saône ist zwar theoretisch ein Stück weit befahrbar, aber so unberührt, dass wir es bleiben lassen. Stattdessen fahren wir mit den Velos diesem Fluss entlang, der als Fischerparadies gilt.

Wo Fischen zum Leistungssport wird

Wo Fischen zum Leistungssport wird

Von Seurre aus fahren wir mit einem Zwischenhalt in Gergy nach Tournus. Eigentlich hätten wir gerne einen Zwischenhalt in Chalons-sur-Saône eingelegt, aber der Quai, an welchem wir anlegen könnten, ist bereits belegt.

Chalons-sur-Saône

Chalons-sur-Saône

Hier müssen wir uns entscheiden: Biegen wir hier in den Canal du Centre ab (der zu unserem Winterquartier in Roanne führt) oder fahren wir, weil wir noch reichlich Zeit haben, noch ein Stück weit die Saône hinunter und erkunden die Seille? Freunde haben uns von der Seille vorgeschwärmt, einem 39 km langen, wildromantischen und dank vier Schleusen befahrbaren Flüsschen in der Bresse.

Wir entschliessen uns zum Abstecher in die Seille.

Unterwegs finden wir am Quai in Tournus einen idealen Liegeplatz. Christian findet sogar noch einen gut getarnten Elektrokasten, sodass wir den Generator nicht anwerfen müssen. Geographisch sind wir im Mâconnais, das für seine Weine berühmt ist.

Am Quai von Tournus

Am Quai von Tournus

In jedem Fremdenführer wird die Abtei Saint-Philibert erwähnt, eine mit Schiessscharten versehene Wehrkirche aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Die Mischung zwischen Kirche und martialischer Festung ist ziemlich verwirrend, sicher aber eindrücklich.

Die Abtei Saint-Philibert in Tournus

Die Abtei Saint-Philibert in Tournus

Nun kann man ja nicht ein ganzes Jahr lang gotische und romanische Kirchen besichtigen. Irgendwann beginnen sie einander zu gleichen. Das Hôtel-Dieu von Tournus ist deshalb eine willkommene Abwechslung. Ungeachtet seiner Bezeichnung ist es kein Hotel, sondern ein im 17. Jahrhundert erbautes Spital. Die Begriffe «hôpital», «hôtel-Dieu», «maison-Dieu» und «hospice», die heute für Einrichtungen unterschiedlichster Zielsetzungen verwendet werden, wurden in Frankreich jahrhundertelang gleichbedeutend verwendet. Sie hatten ursprünglich die Aufgabe, die Ärmsten der Bevölkerung aufzunehmen und zu versorgen. Den Bedürftigen zu helfen, indem man ihnen Unterkunft und Verpflegung anbot, war (und wäre heute noch) Pflicht eines jeden guten Christen. Im 17. Jahrhundert galt das Betteln und Vagabundieren als Gefahr für die öffentliche Ordnung. Die Not wurde zum Synonym für moralische und soziale Unordnung. Neben die Gastfreundschaft als erstem Bestimmungszweck eines Hospitals trat nun der Gedanke der Internierung.

Einzigartig am Hôtel-Dieu von Tournus ist, dass es erst 1978 geschlossen wurde. Die Folge davon war, dass das Spital mehr oder weniger nahtlos als Museum weitergeführt wurde.

Ein Krankensaal im Hôtel-Dieu von Tournus

Ein Krankensaal im Hôtel-Dieu von Tournus

In der Spitalapotheke stellten Ordensschwestern Salben, Tinkturen und Medikamente selber her – und man hat das Gefühl, die letzte Apothekerin habe eben erst den Raum mit seinen 300 Töpfen aus Fayence verlassen.

Der Abschied von Tournus fällt uns nicht leicht. Aber wie wir wenig später von der Saône in die Seille einbiegen, sind wir von einem Moment auf den anderen in einer anderen Welt.

Ländliche Idylle an der Seille

Ländliche Idylle an der Seille

Die vier Schleusen der Seille sind kleiner als das französische Freycinet-Mass, nämlich nur 30 m lang. Einen Schleusenwärter gibt es nur an der ersten Schleuse, die drei weiteren Schleusen öffnet und schliesst man selbst von Hand. Weil wir die Liegeplätze an der Seille nicht kennen, erhalten wir via Mail von der Dutch Barge Association (DBA), deren Mitglied wir sind, eine aufdatierte Liste sämtlicher Anlegeplätze am Fluss mit allen erdenklichen Angaben. Die DBA verfügt von sämtlichen Kanälen über derartige Listen, die laufend nachgeführt werden. Eine vorbildliche Dienstleistung eines hervorragend organisierten Klubs!

Location La Truchère PK 1 46° 30.88’ N
4° 56.89, E
Mooring 60m long pontoon Rings, Depth 1.8 m
Facilities & Costs Water & electricity €8 € 10 with water
Local Amenities Restaurant plus bread if ordered night before from owner. Both restaurants may be closed (end of August 2005)
Contributor & Date La Belle Hélène 14.9 x 0.76m, 5/ 03 ; Nos Rêves (15m x 1m) 7/05
Remarks Pleasant spot just above 1st lock.

 

Location Cruisery PK 1
Mooring 40m pontoon, plus bank for 25m boat Rings on pontoon, pins for bank
Facilities & Costs Water & electricity €8 – mooring & €2.5 – power
Local Amenities Nearby campsite has showers & a laundry.
Contributor & Date La Belle Hélène (14.9m x 3.81m x 0.76m) – May 03
Remarks Steep walk into town. One of the main ‘book villages’ in France – book market every 1st Sunday in month. Reputedly good restaurant in town (Hostellerie Bressane). Not tried but need to book! We didn’t.

Ausschnitt aus der DBA-Liste der Anlegeplätze an der Seille

Die erste Schleuse an der Seille

Die erste Schleuse an der Seille

Berufsverkehr hat es keinen mehr. Dafür ist die Seille ein Paradies für Mietboote (in Loisy ist eine kleine Basis von Locaboat) und Freizeitschiffer.

Die Mühle von Loisy an der Seille

Die Mühle von Loisy an der Seille

Ab Louhans, einer reizvollen Kleinstadt, ist die Seille nicht mehr schiffbar, weshalb man einen Ruhetag einschalten und eine dieser riesigen Bress-Poularden verzehren muss. Die werden nämlich in dieser Region gezüchtet. Gewichtsmässig ist das Burgund unser Untergang. Nicht nur der Mond ist zunehmend…

Im Käseparadies von Louhans

Im Käseparadies von Louhans

In Louhans verlassen uns Ruth und Peter. Dafür kommen Charlottes Schwester Margrit mit ihrem Mann Alfons (wieder) zu uns. Sie sind bereits in Holland eine Woche mit uns gefahren.

Wir fahren mit ihnen in einem Tag die Seille hinunter und die Saône hinauf bis Tournus, wo wir am selben Quai wieder anlegen können.

In den Gassen von Tournus

In den Gassen von Tournus

In Tournus ist Markt und es herrscht, wie man zu sagen pflegt, ein buntes Treiben. Eigentlich ist es mehr Spektakel als Markt: Ein Eisenplastiker giesst kleine Skulpturen auf einem Platz und eine Gruppe Jugendlicher spielt unbeschwert und fröhlich Dixie.

Buntes Treiben in Tournus

Buntes Treiben in Tournus

Am nächsten Tag fahren wir saôneaufwärts zurück nach Chalons-sur-Saône und kurz nach Chalons biegen wir in den Canal du Centre ein.

Der Canal du Centre, der die Täler der Saône und der Loire miteinander verbindet, wurde 1784 bis 1792 gegraben. Der Bau des Kanals hatte einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung zur Folge. Am meisten profitierten Montchanin mit seiner Eisenindustrie und Montceau-les-Mines, wo Kohle abgebaut wurde. 1936 wurden über anderthalb Millionen Tonnen Güter auf dem Kanal transportiert, das Meiste davon Kohle. Montceau-les-Mines war einer jener zehn Binnenhäfen in Frankreich, in denen mehr als eine Million Tonnen Güter umgeschlagen wurde.

Die Kohlenmine von Blanzy ist heute ein Museum. Weil alle Maschinen bis vor 6 Jahren noch liefen, sind sie noch heute voll funktionsfähig.

In einem Stollen der Kohlenmine von Blanzy

In einem Stollen der Kohlenmine von Blanzy

Im Jahr 2000 wurde die letzte Kohlenmine geschlossen und der Berufsverkehr brach völlig ein. Heute benützen pro Jahr noch etwa 50–100 Transportschiffe den Kanal. Zum Ausgleich sind die Region und die Gemeinden bemüht, den Bootstourismus zu fördern.

Die Schleuse zum Canal du Centre

Die Schleuse zum Canal du Centre

Die erste Schleuse hat einen Hub von nicht weniger als 10 m und wirkt mit ihrem triefenden Hebetor irgendwie bedrohlich. Aber wir kennen das System noch von der Schleuse von Ittre, die wir im Bericht Nr. 17 beschrieben haben.

Die ersten paar Kilometer auf dem Canal du Centre führen durch Industriegebiet, aber schon das erste Dorf, Fragnes, zeigt sich von der besten Seite. Ein moderner, langer Quai mit Wasser und Strom erwartet uns. Hier beginnt die «Trasse verte», ein Veloweg entlang dem Canal du Centre, der bis St-Léger-sur-Dheune führt. Man wähnt sich beinahe in den velofreundlichen Niederlanden, denn hier steht sogar eine Velowasch- und Pneupumpstation.

Barbara und Franck vom «Fleur de Sel»

Barbara und Franck vom «Fleur de Sel»

Direkt am Quai liegt das Restaurant «Fleur de Sel», das von den jungen Wirtsleuten Barbara und Franck geführt wird. Ihnen verleihen wir einen Extrastern im «Guide Kinette» für Gastfreundschaft. Obwohl sie ihren Wirtesonntag eben begonnen haben, servieren sie uns noch Getränke und stellen sogar noch extra Tisch und Sonnenschirm für uns auf die Terrasse!

Am nächsten Tag treffen wir auf Bob und Christine mit ihrer «Sassi», die wir schon in St-Symphorien getroffen hatten. Sie sind auf ein verborgen unter Wasser liegendes Hindernis aufgelaufen und haben dabei ihr Steuerruder beschädigt.

Die «Sassi» en panne

Die «Sassi» en panne

Sie können das Steuerruder mit einem Kettenzug wenigstens soweit fixieren, dass sie, wenn auch sehr langsam, ihre Reise fortsetzen können.

Am Canal du Centre

Am Canal du Centre

Der Canal du Centre führt durchs Burgund und steigt mit 29 Schleusen von Chalons (171 m.ü.M.) bis Montchanin (301 m.ü.M.). Er ist ein beliebtes Revier für Mietboote. In Chagny ist eine Basis von Escarg’eau und in St-Léger-sur-Dheune eine sehr gepflegte Locaboat-Basis. In St-Léger bleiben wir zwei Tage, weil wir am Quai direkt vor der Locaboat-Basis anlegen dürfen.

St-Léger-sur-Dheune

St-Léger-sur-Dheune

Von St-Léger aus unternehmen wir eine lange Velotour nach St-Sernain-du-Plain hinauf. Die Weinlese soll am nächsten Tag beginnen und überall werden die Gerätschaften bereitgestellt, Pressen gereinigt und Bottiche gespült.

St-Sernain-du-Plain – Burgund, wie aus dem Bilderbuch

St-Sernain-du-Plain – Burgund, wie aus dem Bilderbuch

Unsere weitere Fahrt führt über Montchanin, Montceau-les-Mines, Génelard nach Paray-le-Monial. Wettermässig hätten wir es nicht besser treffen können, denn im Südburgund wird ein Altweibersommer wie aus dem Bilderbuch abgehalten. Die Bootssaison ist mehr oder weniger zu Ende und wir haben den Kanal praktisch für uns allein. Was für ein herrliches Gefühl: Wir können uns jeweils noch in der zweiten Hälfte Nachmittag den Liegeplatz aussuchen. Nicht einmal dort, wo keine Hafengebühr erhoben und Strom und Wasser gratis sind, hat es Schiffe – und das will etwas heissen!

Montceau-les-Mines ist trotz seiner 20’000 Einwohner eine junge Stadt, sie wurde erst 1856 als Kohlebergbau-Stadt gegründet. Heute unternimmt Montceau grosse Anstrengungen, sein graues «Kohle-Image» loszuwerden.

Fussgängerzone in Montceau-les-Mines

Fussgängerzone in Montceau-les-Mines

Sinnbild für das Bemühen um Farbe ist das Stadthaus, das «Hôtel de Ville», eine Augenweide bei Tag und bei Nacht.

Das Hôtel de Ville von Montceau-les-Mines bei Tag...

Das Hôtel de Ville von Montceau-les-Mines bei Tag…

...und bei Nacht

…und bei Nacht

Verlässt man Montceau-les-Mines Richtung Süden, so könnte man beinahe von einem burgundischen Amsterdam sprechen.

Das burgundische Amsterdam

Das burgundische Amsterdam

Von dem verschlafenen Dörfchen Génelard, unserem nächsten Zwischenhalt, gäbe es eigentlich nichts zu berichten, auch wenn es das «Museum der Demarkationslinie» beherbergt. Aber Génelard wird uns wegen des Restaurants «Le Provençal» in allerbester Erinnerung bleiben. Es ist so französisch, wie ein Beizli in einem kleinen Dörfchen nur sein kann. Wenn man sich längere Zeit in Frankreich aufhält, weiss man, dass man sich achten muss, wo die Lastwagenchauffeure zum Mittagessen anhalten. Vor dem «Le Provençal» stehen die «poids lourds» geradezu klumpenweise. Wir marschieren also abends gegen halb acht Uhr ins Provençal und werden nicht enttäuscht. Vorne ist die Bar und der Fernseher läuft, Eurosport natürlich. Hinten im Säli ein paar gedeckte kleine Tische. Eine Speisekarte gibt es nicht, auch keine Auswahl. Es wird gegessen, was draussen in der Küche köchelt. Zuerst gibt es einen Teller mit Salat und Charcuterie, dann ein Boeuf bourgignon, gefolgt von einer Käseauswahl à discretion und einer Île flottante zum Dessert. Kostenpunkt 11 Euro, umgerechnet also nicht einmal 18 Franken.

So gestärkt, fahren wir am nächsten Tag nach Paray-le-Monial. Der Empfang ist spannend, denn kaum haben wir angelegt, erscheint schon die Gendarmerie. Reinen Gewissens, wie wir sind, bitten wir sie an Bord. Es stellt sich heraus, dass gleichentags im Kanal eine Säuglingsleiche gefunden wurde, weshalb alle Schiffer befragt werden.

Befragung durch die Gendarmerie in Paray-le-Monial

Befragung durch die Gendarmerie in Paray-le-Monial

Leider können wir nichts zur Erhellung des makabren Geschehens beitragen, weshalb wir uns nach stattgefundener Befragung zur Besichtigung des Städtchens aufmachen.

Hier atmet alles den Geruch der Heiligkeit. Zum Entzücken des Tourismusdirektors, falls es damals schon einen gab, hatte nämlich eine gewisse Marguerite-Maria Alacoque, welche nach vierjähriger Bettlägerigkeit infolge Kinderlähmung und nach einer schwierigen Jugend Nonne geworden war, von 1673 bis zu ihrem Tod 1690 Visionen und Offenbarungen, welche ihr Beichtvater schriftlich niederlegte. Das war der Beginn der Herz-Jesu-Verehrung in Frankreich. 1864 wurde Schwester Marguerite-Maria selig- und 1920 heiliggesprochen. Ihrem Beichtvater wurde übrigens das gleiche Schicksal zuteil. Selbst guten Katholiken ist die Heiligen- und übrigens auch die die Reliquienverehrung manchmal etwas unheimlich. Aber wer will denn schon kritisch sein, wenn seit 1873 jährlich grosse Wallfahrten stattfinden und Paray-le-Monial das ganze Jahr hindurch von Scharen religiöser Touristen bevölkert wird?

Die Herz-Jesu-Basilika von Paray-le-Monial von aussen...

Die Herz-Jesu-Basilika von Paray-le-Monial von aussen…

...und von innen

…und von innen

Nicht nur weil Paray-le-Monial so charmant ist, sondern hauptsächlich wegen eines Konzertes, das für Samstagabend in der Herz-Jesu-Basilika angesagt ist, verlängern wir unseren Aufenthalt auf sechs Tage.

Bericht 18, Juli/August 2006

Chauny (Canal de Saint Quentin, Frankreich) – Compiègne – Reims – Vitry-Le-François – Langres

Ein ungelöstes Problem in der französischen Binnenschifffahrt ist die Treibstoffversorgung der sogenannten Vergnügungsfahrzeuge, der bâteaux de plaisance. Während die Berufschifffahrt mit «fioul», also Heizöl, fahren darf, ist dies für die Vergnügungsschifffahrt, anders als in Belgien, streng verboten. Weiterlesen

Bericht 17, Juli 2006

Brüssel – Schrägaufzug von Ronquières – Schiffslift von Strépy-Thieu (Belgien) – Chauny (Canal de Saint Quentin, Frankreich)

Wir legen kurz nach 9 Uhr morgens im Königlichen Yachthafen in Brüssel ab und passieren im Laufe der nächsten Stunden nacheinander sechs Schleusen. Wegen der starken Berufschifffahrt müssen wir manchmal bis zu einer Stunde warten. Wir benützen diese Wartezeiten jeweils für Unterhaltsarbeiten am Schiff oder das Erledigen der Korrespondenz. Weiterlesen

Bericht 16, Juni 2006

Antwerpen – Brüssel

Auch wenn wir fürs Leben gern fahren, so geniessen wir es doch auch, einmal eine ganze Woche in derselben Stadt zu liegen. Nicht nur können wir so eine Stadt gründlich erkunden, in aller Ruhe Museen besuchen und vom kulturellen sowie touristischen Angebot Gebrauch machen. Nein, wir können uns auch die Post nachschicken lassen und längst fällige Unterhaltsarbeiten erledigen. Weiterlesen

Bericht 14, Mai 2006

Leimuiden – Gouda – Gorinchem

Nach unserer Ankunft auf der Werft in Leimuiden musste Christian für ein paar Tage in die Schweiz. In dieser Zeit blieb Charlotte allein auf dem Schiff zurück und kümmerte sich darum, dass die restlichen Umbauarbeiten zügig erledigt wurden. Ziel war, am 23. Mai mit einer Schwester von Charlotte und ihrem Mann, die zusammen mit Christian aus der Schweiz kamen, auf Fahrt zu gehen. Und tatsächlich hiess es am 23. Mai um die Mittagszeit «Leinen los»! Weiterlesen